Kommentiert: The Coming Food Coups by Natsios & Doley
In ihrem Beitrag „The Coming Food Coups“, der im Januar 2009 im Washington Quartely erschien, das vom Center for Strategic and International Studies herausgegeben wird, befassen sich Natsios und Doley mit den humanitären, politischen und Sicherheitskonsequenzen der Preisexplosionen bei Nahrungsmitteln. Dabei ist für sie die Famine Theory ein hilfreiches Werkzeug, also die Theorie von den Hungersnöten, „a body of knowledge about the microeconomic dynamics of famines, the vulnerability of people to food price shocks, and the common patterns of behavior people use to try to survive in different stages of a famine„.
Ihrer Meinung nach müssen Politiker ausgerüstet sein, um die Sicherheits- (und andere) Konsequenzen derartiger Entwicklungen zu minimieren. Dabei betrachten sie – im Gegensatz zu Paul Collier (vgl. Medien-Offensive des Agrobusiness [1]) – die Rücknahme von Subventionen (z.B. für Agrotreibstoffe) in einer bürgerlichen Demokratie als unrealistisch.
»The likelihood of a substantial reduction in U.S. corn-based ethanol subsidies is unlikely. Once democratic governments begin to subsidize something, withdrawing the subsidy becomes politically very difficult, mainly because the subsidies create constituencies which make a great deal of money and wield substantial political power.«
Im Abschnitt »What We Know About Famine« führen uns die Autoren zu folgender erstaunlicher Erkenntnis:
»Famines are seldom caused by the absence of food, but rather by an individual’s inability to access food that is available.«
So weit so gut. Zugleich wird uns aber mitgeteilt, dass die Hungersnot in dem Maße abnimmt, in dem sich die Zahl der zu stopfenden Mäuler durch den Tod des schwächeren Teils der Bevölkerung verringert:
»Famine is … climaxing in widespread mortality, and then followed by reduced mortality as the death of the most vulnerable people reduces the number of mouths to feed.«
Liegt es also doch an der Menge der verfügbaren Nahrungsmittel ? So richtig schlau wird man aus der zynischen Betrachtungsweise der Autoren nicht.
Ausgehend von der Feststellung, dass das Horten von Nahrungsmitteln die Versorgungssituation verschlimmert, kommen die Autoren unter bemerkenswerter Ignorierung der Tatsache, dass die Spekulation an den Rohstoffbörsen, also Horten in globalem Maßstab, maßgeblich zur 2008er Preisexplosion beigetragen hat, zu der frappierenden Einsicht:
»Market-based interventions work best to stop hoarding.«
Interessant für eine Publikation aus dem Center for Strategic and International Studies ist das Eingeständnis, „The Iraqi insurgency was partially fueled by the migration of destitute young men from rural areas“ auch wenn schützend die Behauptung hinzugefügt wird „where the agricultural economy had collapsed before the Iraq war had begun.“
Für Afghanistan sehen es die Autoren ähnlich: »…(T)he increase in food prices in Afghanistan, … may contribute to an increase in the number of Taliban recruits.«, was in Anbetracht der Tatsache, dass trotz zig Milliarden „Entwicklungshilfe“ (militärischer und ziviler Art) 35% der 26.6 Millionen Afghanen chronisch hungern, nicht verwunderlich ist. Im ersten Halbjahr 2008 hat es 12 bewaffnete Überfälle auf Nahrungsmittelkonvois des World Food Program (WFP) gegeben, im Jahr 2007 waren es insgesamt 30 (Zur Instrumentalisierung des eigentlich der UNO unterstehenden WFP für die US-amerikanische Außenpolitik siehe hier).
Das sicherste Mittel gegen Hungersnöte, so schlussfolgern Natsios & Doley, ist eine gut funktionierende bürgerliche Demokratie. Ihr schlagkräftigster Beweis ist, dass es in Indien seit Einführung der Demokratie keine Hungersnot mehr gegeben habe. Mehrere Hundert Millionen chronisch Hungernder fallen da offenbar ebenso wenig ins Gewicht wie die Tatsache, dass sowohl während der Hungersnöte in Indien im 19. Jahrhundert als auch während der Great Irish Famine (1845-1852) ein Nettoexport von Lebensmitteln ins demokratische „Mutter“land Großbritannien stattfand. Diese Hungersnöte hielten übrigens den Kriterien von Natsios & Doley stand – es waren solche, bei denen sich an ein »Klimaxstadium verbreiteter Mortalität eine Periode abnehmender Mortalität« anschloss.
Die Autoren, die Food Riots und die daraus resultierenden Sicherheitskonsequenzen fürchten, greifen am Ende ihres Beitrages in die Kiste mit den guten Ratschlägen, um im Abschnitt »What to do« mit einer »Vier-Zinken-Strategie künftigen Preisanstiegen entgegen zu wirken«.
Zinke 1: Investitionen in landwirtschaftliche Entwicklungsprogramme, einschließlich 1,2 Milliarden Dollar von der Weltbank; Verdopplung des Budgets der Consultative Groups on International Agricultural Research (CGIAR); verstärkte Investitionen in gentechnisch modifizierte (GM-) Sorten; Grüne Revolution für Afrika; und eine Gegenoffensive gegen die anti-Biotechnologie und anti-GM-Kampagnen.
Zinke 2: Etablierung eines Frühwarnsystems »to meet rapid increases in food prices with new tools, new market-based approaches, and improvements in existing tools«, ähnlich dem »Famine Early Warning Systems Network« (FEWS NET) von USAID, FEWS NET sollte über die bisherigen 25 Länder hinaus ausgedehnt werden.
Zinke 3: Marktinterventionen (wieso das jetzt plötzlich ?).
Zinke 4: Einstampfen der Subventionen für die Herstellung von Agrotreibstoffen aus Getreide (nun also doch !?).
Quelle:
Klaus Pedersen, 31.8.2009 · Mit freundlicher Genehmigung des Autors.