Private Stiftungen – Speerspitze der globalen Agrarkonzerne?
Von Peter Clausing
Die „neuen Philanthropen“, wie sich die Milliardäre des 21. Jahrhunderts nennen, schaffen mit ihren Stiftungen unter Umgehung demokratischer Entscheidungsprozesse die Voraussetzungen für die Ausdehnung der Märkte transnationaler Konzerne. Verbrämt durch einen Diskurs der Armutsbekämpfung, fördern sie die Entstehung einer neuen agrarischen Mittelschicht im subsaharischen Afrika, die ausreichend zahlungskräftig ist, um sich die Segnungen einer neuen Grünen Revolution leisten zu können. Mangel an Demokratie ist eine wesentliche Voraussetzung dafür. Zwar behauptet die Grüne Revolution 2.0, dass sie die afrikanischen KleinbäuerInnen aus der Armutsfalle ziehen wolle, doch gerade diese profitieren nicht davon! Die eigentlichen Nutznießer des neuen landwirtschaftlichen Booms sind – wie Untersuchungen in Kenia und Sambia zeigen – reiche Städter, in der Mehrzahl Regierungsangestellte, die sich in die Landwirtschaft einkaufen.
Die lange Grüne Revolution
von Raj Patel
In einer 63-seitigen Analyse, die Anfang 2013 erschien, beschäftigt sich der britische Soziologieprofessor Raj Patel faktenreich mit den Mythen der Grünen Revolution. Der nachstehende Text ist zugleich Auszug und Kondensat dieser umfangreichen Übersichtsarbeit.
Historisch betrachtet erstreckte sich die Grüne Revolution über die Zeit von 1940 bis 1970, auch wenn die Prozesse der kapitalistischen Akkumulation, Enteignung, Investition und Innovation in der Landwirtschaft – die erst zwei Jahre vor ihrem offiziellen Ende „Grüne Revolution“ genannt wurden – bereits früher stattfanden und sich weit über 1970 fortsetzten. Die Väter der Grünen Revolution konnten ihre Ziele nicht beliebig durchsetzen, sondern mussten unter Nutzung staatlicher Mittel den oftmals kollektiv organisierten Widerstand der armen ländlichen Bevölkerung überwinden.
Malawi im Prisma der Welternährungskrise
von Peter Clausing
Malawi, ein kleines Land im Herzen Afrikas, gehört mit seinen 14 Millionen Bewohnern zu den am dichtesten besiedelten Ländern Afrikas, nur übertroffen von Burundi, Gambia, Nigeria und Ruanda. Seine Ernährungsprobleme und die entsprechenden Lösungsversuche reflektieren eine ganze Reihe von Aspekten der globalen Ernährungskrise. Aufgrund des hohen Bevölkerungswachstums hat sich die Einwohnerzahl seit 1950 mehr als vervierfacht. Trotzdem liegt die Bevölkerungsdichte mit 120 Einwohner/km² noch immer deutlich unter der von Deutschland (229 Einwohner/km²). Malawi zählt zu den Least Developed Countries (LDC), einer sozialökonomischen Definition der UNO für die 48 ärmsten Länder der Welt. Trotz innenpolitischer Stabilität und obwohl das Land nicht vom „Ressourcenfluch“ heimgesucht ist, den der konservative Ökonom Paul Collier in fragwürdiger Weise als Wurzel allen Übels der Armut in Afrika betrachtet (1), hat das Land – seit langem ein Liebling der internationalen Entwicklungshilfe – es bis heute nicht geschafft, den LDC-Status zu verlassen. Schlimmer noch – in den letzten Jahrzehnten kam es wiederholt zu Hungersnöten, bei denen Todesopfer zu beklagen waren.
Mexiko-Lateinamerika: Tödliche Pestizide
von Alfredo Acedo*
(Quito, 14. Oktober 2011, alai).- Der grün und ockerfarben gemusterte Teppich des Valle del Yaqui ist zwar schön anzusehen, er verbirgt jedoch eine Tragödie, die sich in dieser Region abspielt. Unter dem kapitalistischen Landwirtschaftsmodell wurden hier über 50 Jahre intensiv Pflanzenschutzmittel eingesetzt, wodurch Wasser, Böden und Luft verschmutzt und die Region damit praktisch zerstört wurde. Doch nicht nur die Natur trägt die verheerenden Konsequenzen. Die unverantwortlichen Praktiken haben auch Menschenleben gefordert.
Kommentiert: »The Politics of Hunger« by Paul Collier
Innerhalb der letzten 12 Monate sind mehrere einflussreiche Publikationen der Befürworter von Gentechnik und industrieller Landwirtschaft erschienen Hier werfen wir einen Blick auf den ersten dieser Beiträge, den Walden Bello in seinem Text „The global food price crisis: A critique of orthodox perspectives“ als „Perhaps the most influential orthodox view on the causes, dynamics, and solution to the food price crisis“ bezeichnet (http://www.worldhunger.org/articles/09/editorials/bello.htm). Kaum überraschend, wird Colliers Beitrag vom World Food Program als Informationsquelle angeboten (http://www.wfp.org/content/politics-hunger-foreign-affairs).
Der Text von Paul Collier, Ökonomie-Professor und Direktor des Center for the Study of African Economies an der Universität Oxford, erschien 2008 in der November-Ausgabe von Foreign Affairs mit dem Titel „The Politics of Hunger“.
David gegen Goliath?
Zwei unvereinbare Perspektiven zur Zukunft der Welternährung
Spätestens seit den »Brotrevolten« von 2007 und 2008, mit denen die Menschen in rund 40 Ländern auf die Explosion der Lebensmittelpreise reagierten, ist die Ernährungskrise ein bleibendes Thema in den Medien und in der offiziellen Politik. Dabei ist die Krise eher ein gigantischer Skandal, denn den alljährlich neun Millionen Hungertoten und mehr als einer Milliarde chronisch Hungernder steht eine Nahrungsmittelmenge gegenüber, die genügen würde, um alle Menschen ausreichend zu versorgen. Folglich mangelt es in erster Linie an einem »globalen« politischen Willen, ein Mangel, der zum Beispiel in der Tolerierung und vielfach sogar Förderung der Flächenkonkurrenz zwischen Agrotreibstoff- und Nahrungsmittelproduktion zum Ausdruck kommt.
Gepflanzte Profite
Der heutige 16. Oktober wurde 1979 zum Welternährungstag erklärt. Es ist der Gründungstag der Welternährungsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen, die im Jahr 1945 an diesem Tag geschaffen wurde. Der Welternährungstag steht jedes Jahr unter einem besonderen Thema. Im vorigen Jahr lautete das Motto »Das Recht auf Nahrung ist keine Utopie«. Die reale Politik der FAO disqualifiziert dieses Motto zur hohlen Phrase, denn dieses Recht ist unlängst für weitere zig Millionen Menschen zur Utopie geworden. Es ist seit längerem bekannt, daß das sowohl vom Welternährungsgipfel 1996 als auch von der »Millenniumserklärung« der UNO im Jahr 2000 definierte Ziel, die Zahl der chronisch hungernden Menschen bis zum Jahr 2015 zu halbieren, nicht erreicht wird. Mittlerweile zeichnet sich ab, daß es nicht einmal gelingen wird, diese Zahl konstant zu halten. Laut FAO erhöhte sich zwischen 1992 und 2005 die Zahl der chronisch Hungernden zunächst von 842 auf 848 Millionen Menschen, um dann im Jahr 2007 sprunghaft auf 943 Millionen zu steigen. Eine weitere dramatische Erhöhung in diesem Jahr ist absehbar.