Ein Land­wirt­schafts­mo­dell zur Ver­sor­gung der Welt

Von Devin­der Shar­ma | 24.Januar 2010

In zehn Jah­ren, im Jahr 2020, kön­nen die indi­sche Land­wirt­schaft und glei­cher­ma­ßen die Land­wirt­schaft der gan­zen Welt in ein gesun­des und lebens­fä­hi­ges Sys­tem ver­wan­delt sein, in dem die Selbst­mor­de der Bau­ern der Geschich­te ange­hö­ren, in dem Elend und Ver­zweif­lung durch Stolz am Anbau­en ersetzt wor­den sind, wo Land­wirt­schaft wahr­haft lang­fris­tig und nach­hal­tig gewor­den ist und kei­ne Wär­me der glo­ba­len Umwelt hin­zu­fügt.

Mit dem Beginn von 2010 wird das Dreh­buch für eine künf­ti­ge Land­wirt­schaft geschrie­ben, das das Lächeln auf dem Ant­litz des Bau­ern zurück­bringt, ohne Wun­den in der Umwelt zu hin­ter­las­sen.

Was mit einer klei­nen Initia­ti­ve vor sechs Jah­ren in einem unbe­kann­ten Dorf im Kha­mam-Distrikt begann, hat sich jetzt über 800 000 ha in 21 Distrik­ten von Andhra Pra­desh ver­brei­tet. Ich erin­ne­re mich an das ers­te Gespräch über das Wun­der, das durch das Dorf Pan­nu­ku­la in Andhra Pra­desh zustan­de­ge­bracht wur­de, und von dem vie­le glaub­ten, ich wol­le ein­fach ver­su­chen, die Land­wirt­schaft zu roman­ti­sie­ren. Wie Land­wirt­schaft ohne Ver­wen­dung von che­mi­schen Pes­ti­zi­den betrie­ben wer­den kön­ne, wur­de ich wie­der­holt gefragt.

Pan­nu­ku­la grub eine ers­te Fur­che, die sich am Ende zu einem leuch­ten­den brei­ten Pfad ver­brei­ter­te. In den fol­gen­den vier Jah­ren haben mehr als 318 000 Bau­ern in 21 der 23 Distrik­te von Andhra Pra­desh das inten­si­ve che­mi­sche Anbau­sys­tem auf­ge­ge­ben und sind zu einer nach­hal­ti­gen, öko­no­misch mach­ba­ren und öko­lo­gisch ange­paß­ten Land­wirt­schaft über­ge­gan­gen. Eine stil­le Revo­lu­ti­on ist im Ent­ste­hen begrif­fen. In Kha­rif waren 2009 ca. 560 000 ha bepflanzt mit dem, was jetzt unter dem Namen Com­mu­ni­ty Mana­ged Sus­tainable Agri­cul­tu­re (CMSA= Kom­mu­nal betrie­be­ne nach­hal­ti­ge Land­wirt­schaft) bekannt ist.

Wäh­rend ich dies hier in der ers­ten Woche des Janu­ar 2010 schrei­be, hat sich das Gebiet auf 800000 ha der 21 Distrik­te aus­ge­brei­tet. Eine Zunah­me von 240000 ha eines Anbau­sys­tems, das kei­ne che­mi­schen Pes­ti­zi­de ver­wen­det und auch nach und nach auf den che­mi­schen Dün­ger ver­zich­tet, und das oben­drein inner­halb weni­ger Mona­te, das ist ein ein­zig­ar­ti­ger Rekord. Und all dies geschah ohne irgend­wel­che Anrei­ze von Regie­rungs­be­hör­den oder dem pri­va­ten Sek­tor. Ich sehe kei­nen Grund, wes­halb die­ses umwelt­mä­ßig siche­re und bau­ern­freund­li­che Sys­tem nach­hal­ti­ger Land­wirt­schaft nicht in wei­te­ren zehn Jah­ren zusätz­li­che 80 Mil­lio­nen ha im gan­zen Land bede­cken soll­te, wenn es der Regie­rung ernst ist.

In 10 Jah­ren, 2020, kann die indi­sche Land­wirt­schaft in ein gesun­des, dyna­mi­sches Sys­tem ver­wan­delt wer­den, in dem die Selbst­mor­de der Bau­ern der Geschich­te ange­hö­ren, wo Elend und Ver­zweif­lung durch den Stolz der Bau­ern ersetzt sind, und wo die Land­wirt­schaft zu einem auf lan­ge Sicht nach­hal­ti­gen Sys­tem wird, das nicht zu einem Kli­ma­wan­del führt.

Was als Expe­ri­ment begann, ein Anbau­sys­tem zu ent­wi­ckeln ohne die Ver­wen­dung von che­mi­schen Pes­ti­zi­den, geht jetzt dazu über, auch auf die Ver­wen­dung che­mi­scher Dün­ge­mit­tel zu ver­zich­ten. Man benutzt eine Mischung aus wis­sen­schaft­lich erprob­ten Tech­no­lo­gien, ein­hei­mi­schem Wis­sen und tra­di­tio­nel­ler Weis­heit. Die Bau­ern erset­zen che­mi­schen Dün­ger und Pes­ti­zi­de mit Mikro­ben- Kul­tu­ren, inten­si­ver Nut­zung von Kom­post­tech­ni­ken, Regen­wurm-Kom­pos­tie­rung, und sie ver­wen­den Bio-Dün­ger und Bio-Extrak­te zur Unge­zie­fer­kon­trol­le.

Dies brach­te eine voll­stän­di­ge Ver­än­de­rung der kon­ven­tio­nel­len Land­wirt­schaft mit sich und bot einen siche­ren und sta­bi­len Lebens­un­ter­halt. Die Erträ­ge sind gleich geblie­ben, die Schä­den durch Unge­zie­fer sind dras­tisch gesun­ken und der Boden gewinnt sei­ne natür­li­che Frucht­bar­keit zurück. Da die Boden­frucht­bar­keit über die Jah­re sich lang­sam ver­bes­sert, sind auch die Erträ­ge wei­ter gestie­gen. Noch wich­ti­ger ist, daß die Aus­ga­ben der Bau­ern für Gesund­heits­pro­ble­me, die durch die Ver­wen­dung von Pes­ti­zi­den auf­tre­ten, im Durch­schnitt um 40% gesun­ken sind.

Die Bau­ern haben jetzt mehr Geld auf der Hand. Die Anbau­kos­ten pro ha sind um 33% gesun­ken. Ein CMSA-Bau­er spart z.B. beim Anbau von Baum­wol­le mehr als 12,500 RS (Rupi­en= ca. 0,0152 € bzw. 100 Rs = 1.5 €) pro ha allein durch die Nicht­ver­wen­dung von Pes­ti­zi­den. Da die Erträ­ge sta­bil geblie­ben sind, haben die Baum­woll­pflan­zer prak­tisch ein neu­es Leben erhal­ten. Und die Umwelt ist gesün­der und siche­rer gewor­den.

Nor­ma­ler­wei­se gehen beim Baum­wollan­bau 56% der Kos­ten für die Pes­ti­zi­de drauf. Und man ver­ges­se nicht, daß 70% der Bau­ern, die Selbst­mord bege­hen, im Staat und im Bun­des­land, Leu­te sind, die im Baum­wollan­bau arbei­ten. Aber kein Bau­er hat in den Gebie­ten, wo das neue Sys­tem ohne Pes­ti­zi­de ver­wen­det wird, Selbst­mord began­gen.

Mehr Geld in den Hän­den der Bau­ern bedeu­tet weni­ger Schul­den. Ich habe kein ande­res Dorf im Lan­de in den drei Jahr­zehn­ten mei­ner Arbeit über Land­wirt­schaft gese­hen, das in der Lage gewe­sen ist, sein gesam­tes mit Hypo­the­ken belas­te­tes Land von den Geld­ver­lei­hern in nur drei Jah­ren zurück­zu­be­kom­men. Dies geschah in dem Dorf Rama­ch­andra­pur­am im Kha­mam Distrikt, wo alle 75 Bau­ern sogar ihre außen­ste­hen­den Zin­sen zurück­be­zahlt haben.

Unter­su­chun­gen in fünf Distrik­ten zei­gen, daß von 467 Fami­li­en, die ihr Land belie­hen haben, min­des­tens 386 es in zwei Jah­ren frei­ge­kauft haben.

Dies ist ein Leit­plan für die Zukunft der indi­schen Land­wirt­schaft und für die glo­ba­le Land­wirt­schaft. Er lie­fert nicht nur einen nach­hal­ti­gen Weg mit einem mini­ma­len Koh­len­was­ser­stoff-Abdruck, son­dern lie­fert auch ein unge­heu­res Poten­ti­al, um Armut und Hun­ger zu ver­trei­ben. Es ist ein­deu­tig bewie­sen wor­den, daß die Nah­rungs­ver­sor­gung per Haus­halt sich ver­bes­sert hat durch 40% weni­ger Ein­käu­fe an Nah­rungs­mit­teln auf dem Markt. Die Ern­te­er­trä­ge sind gestie­gen, und die Bau­ern sind jetzt sogar in der Lage, zwei Ern­ten pro Jahr anzu­bau­en. Dies ist das Null-Hun­ger-Modell, von dem ich sage, daß es unter dem vor­ge­schla­ge­nen Natio­nal Food Secu­ri­ty Act (Natio­na­les Nah­rungs­si­che­rungs­ge­setz) ange­nom­men wer­den soll.

Selbst­hil­fe­grup­pen für Frau­en und Bau­ern spie­len eine wich­ti­ge Rol­le in der CMSA. Erspar­nis­se sind gestie­gen, und eine Föde­ra­ti­on von 850 675 Selbst­hil­fe­grup­pen umfaßt jetzt 10 Mil­lio­nen Frau­en aus armen Haus­hal­ten. Die­se Föde­ra­ti­on besitzt ein Kapi­tal von 1.5 Mil­li­ar­den US-Dol­lar und lie­fert ein gan­zes Bün­del öko­no­mi­scher Leis­tun­gen. Kein Wun­der, daß nach­hal­ti­ge Land­wirt­schaft ohne Zuschüs­se von außen die länd­li­chen Gegen­den revo­lu­tio­nie­ren und Hun­ger und Armut besie­gen kann.

AUTOR: Devin­der SHARMA देविंदर शर्मा

Über­setzt von Einar Schler­eth

Quel­le: Ground Rea­li­ty – A far­ming model to sus­tain the world

Ori­gi­nal­ar­ti­kel ver­öf­fent­licht am 8.1.2010

Über den Autor

Einar Schler­eth ist ein Mit­glied von Tla­x­ca­la, dem inter­na­tio­na­len Über­set­zer­netz­werk für sprach­li­che Viel­falt. Die­se Über­set­zung kann frei ver­wen­det wer­den unter der Bedin­gung, daß der Text nicht ver­än­dert wird und daß sowohl der Autor, der Über­set­zer als auch die Quel­le genannt wer­den.

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