Kein Hohe­lied – Eine Replik auf Mari­an­na Schau­zu

von Peter Claus­ing

Am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag kam an die­ser Stel­le Mari­an­na Schau­zu in einem Arti­kel über den Ein­satz gen­tech­nisch modi­fi­zier­ter (GM-)Baumwolle in Bur­ki­na Faso zu der Schluß­fol­ge­rung: »Das Bei­spiel Bur­ki­na Fasos zeigt, daß eine Zusam­men­ar­beit mit mul­ti­na­tio­na­len Kon­zer­nen wie Mons­an­to mög­lich ist, ohne den eige­nen Ent­wick­lungs­plan preis­ge­ben zu müs­sen …«. In ihrem Text bezieht sie sich auf eine 30prozentigen Ertrags­stei­ge­rung bei GM-Baum­wol­le im Ver­gleich zu 50 bis 70prozentigen Ertrags­aus­fäl­len bei kon­ven­tio­nel­ler Baum­wol­le in den 1990er Jah­ren auf­grund von Insek­ti­zid­re­sis­ten­zen gegen­über Pyrethro­iden. In ihrem Bei­trag sug­ge­riert sie, daß das ein­zi­ge Pro­blem beim Ein­satz von Gen­tech­nik die Mono­pol­macht der Kon­zer­ne sei. Die stel­le aber eigent­lich auch kein Pro­blem dar, wenn die Regie­run­gen des Südens »die Zusam­men­ar­beit mit Mons­an­to … an eini­ge Bedin­gun­gen (knüpf­ten).« Mehr noch: »Es (gibt) kei­ne Alter­na­ti­ven zur Zusam­men­ar­beit des Lan­des mit dem Gen­tech­nik­rie­sen«, läßt sie zwei Baum­woll­bau­ern aus Bur­ki­na Faso ver­kün­den, was impli­ziert, daß der Ein­satz von Gen­tech­nik an sich erst recht alter­na­tiv­los ist. Als Kron­zeu­gen bemüht sie »bereits gute Erfah­run­gen«, die Indi­en und Chi­na mit der von Mons­an­to ent­wi­ckel­ten, das Bt-Toxin ent­hal­ten­den Baum­wol­le gemacht hät­ten.

Man könn­te glau­ben, die zahl­rei­chen Gen­tech­nik­skan­da­le – von uner­wünsch­ten Aus­kreu­zun­gen, über die Unter­drü­ckung unlieb­sa­mer For­schungs­er­geb­nis­se bis hin zum Poli­tik­filz – hät­te es nie gege­ben oder sei­en ledig­lich dem Man­gel an aus­rei­chend prä­zi­se for­mu­lier­ten Bedin­gun­gen im Umgang mit den Kon­zer­nen geschul­det. Doch die Miß­tö­ne im Hohe­lied auf Mons­an­tos GM-Baum­wol­le sind nicht dar­auf beschränkt. Gera­de­zu bizarr muten die Behaup­tun­gen an, daß in Bur­ki­na Faso die land­wirt­schaft­li­che Selbst­ver­sor­gung »mehr oder weni­ger gelun­gen« sei und daß die Ein­füh­rung der Gen­tech­nik »als Fort­füh­rung des von San­ka­ra (Tho­mas, 1987 gestürz­ter Prä­si­dent, d.Red.) pro­pa­gier­ten Kamp­fes gegen die Armut ange­se­hen wer­den (kann).« Im Janu­ar 2009 stell­te das Welt­ernäh­rungs­pro­gramm der Ver­ein­ten Natio­nen fest: »Etwa die Hälf­te der Bevöl­ke­rung des Lan­des hat unzu­rei­chen­den Zugang zu der Nah­rung, die not­wen­dig wäre, um den Min­dest­be­darf an Ener­gie zu decken. Es gibt besorg­nis­er­re­gen­de Anzei­chen für eine wach­sen­de Ver­brei­tung und Häu­fig­keit von Unter­ernäh­rung in Bur­ki­na Faso.« Ist die Poli­tik von Prä­si­dent Blai­se Com­pa­o­ré als Fort­füh­rung des Kamp­fes von Tho­mas San­ka­ra gegen die Armut anzu­se­hen, der ermor­det wur­de als sich Com­pa­o­ré 1987 an die Macht putsch­te? Nein, die Poli­tik von Com­pa­o­ré basiert auf den Struk­tur­an­pas­sungs­pro­gram­men von Welt­bank und Inter­na­tio­na­lem Wäh­rungs­fonds. Teil die­ser Pro­gram­me war die Ein­füh­rung von GM-Baum­wol­le, die, wie Fran­coise Gérard in Le Mon­de Diplo­ma­tique (Aus­ga­be: 13.2.2009) erwähnt, zum Teil unter Poli­zei­ein­satz erfolg­te. Nach Anga­ben der Welt­ernäh­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on lie­gen die Saat­gut-Prei­se für GM-Baum­wol­le zwei- bis fünf­mal so hoch wie bei kon­ven­tio­nel­lem Saat­gut. Die Ein­füh­rung die­ses teu­ren Saat­guts war aus der Per­spek­ti­ve des jW-Bei­trags vom vori­gen Don­ners­tag wegen der Pes­ti­zid-Resis­ten­zen der 90er Jah­re ein klu­ger Schritt. Die »guten Erfah­run­gen« ­Indi­ens und Chi­nas mit GM-Baum­wol­len, auf die sich Frau Schau­zu beruft, sind durch Resis­ten­z­er­schei­nun­gen gegen­über dem Bt_Toxin in GM-Baum­wol­le inner­halb von vier Jah­ren nach sei­ner Ein­füh­rung, durch ver­mehr­tes Auf­tre­ten unbe­kämpf­ba­rer Sekun­där­schäd­lin­ge und, im Fall von Indi­en, durch eine Selbst­mord­wel­le Zehn­tau­sen­der hoch­ver­schul­de­ter Bau­ern cha­rak­te­ri­siert. Letz­te­res führ­te im Mai 2005 im indi­schen Bun­des­staat Andhra Pra­desh immer­hin zu einem teil­wei­sen Ver­bot von Bt-Baum­wol­le.

Gehö­ren Alter­na­ti­ven zu Mons­an­tos GM-Baum­wol­le in das Reich der Phan­ta­sie? Nein! Trotz des Drucks von sei­ten der Gen­tech­niklob­by behaup­ten sich in Bur­ki­na Faso sowohl das Bio­baum­wol­le­pro­jekt der Schwei­zer Initia­ti­ve Hel­ve­ta als auch das von der Deut­schen Welt­hun­ger­hil­fe unter­stütz­te Pro­jekt »Cot­ton made in Afri­ca« – sicher nicht ohne Pro­ble­me. Eine im Novem­ber 2010 ver­öf­fent­lich­te Stu­die des Evan­ge­li­schen Ent­wick­lungs­diens­tes hebt her­vor: »Rück­gang bei der Bio-Baum­wol­le (von ca. 6000 Pro­du­zen­ten in 2009 auf 3000 in 2010) ist eher auf die von der natio­na­len Poli­tik for­cier­te und von den Baum­woll­ge­sell­schaf­ten gern gese­he­ne Ein­füh­rung der Gen­baum­wol­le zurück­zu­füh­ren.« Glo­bal wird Baum­wol­le auf drei Pro­zent der land­wirt­schaft­li­chen Nutz­flä­che ange­baut und bean­sprucht 25 Pro­zent der welt­weit aus­ge­brach­ten Pes­ti­zi­de. Die pro­pa­gier­te Ver­rin­ge­rung des Pes­ti­zid­auf­wan­des durch Gen­tech­nik hat sich auf­grund von Bt-Resis­tenz und Sekun­där­schäd­lin­gen als Far­ce erwie­sen. Die ver­meint­li­che Alter­na­tiv­lo­sig­keit zur GM-Baum­wol­le in Bur­ki­na Faso (und anders­wo) ist Aus­druck von Macht­po­li­tik und ähn­lich unver­rück­bar wie die Behaup­tung, daß es kei­ne Alter­na­ti­ve zum neo­li­be­ra­len Wirt­schafts­mo­dell gäbe.

Erschie­nen in: jun­ge Welt vom 20.01.2011

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