Green­wa­shing: Der WWF als Kra­ke

Über das Umwelt­schutz­spek­ta­kel »Earth Hour«, den WWF und des­sen Liai­son mit den Kon­zer­nen des Agro­busi­ness
von Peter Claus­ing

Am 31. März wird zum sechs­ten Mal die »Earth Hour« began­gen, ein vom »World Wide Fund for Natu­re« (WWF) orga­ni­sier­tes Event, des­sen Teil­neh­mer für eine Stun­de das Licht aus­schal­ten. Ein sym­bo­li­scher Akt, mit dem die Unter­stüt­zung des Umwelt­schutz­ge­dan­kens zum Aus­druck gebracht wer­den soll. Eine ech­te Wohl­fühl­num­mer für die Betei­lig­ten, und zugleich ein Meß­in­stru­ment dafür, wie vie­le Men­schen bereit sind, sich der Ver­ne­be­lung durch den WWF hin­zu­ge­ben: Im Jahr 2011 waren es in Deutsch­land über 30000 in 66 Städ­ten. Die Akti­on ist ein­fach wun­der­bar: Man bleibt anonym und unauf­fäl­lig, stellt kei­ne For­de­run­gen, ist nicht den übli­chen Unbil­den einer Demons­tra­ti­on wie Wet­ter oder Poli­zei aus­ge­setzt und hat trotz­dem das Erleb­nis, dabei gewe­sen zu sein. Wobei? Beim WWF! Also bei jener Orga­ni­sa­ti­on, auf deren enge Ver­bin­dun­gen mit inter­na­tio­na­len Groß­kon­zer­nen Wil­fried Huis­mann in sei­ner am 22. Juni 2011 auf ARD gesen­de­ten Doku­men­ta­ti­on auf­merk­sam mach­te, unbe­scha­det bereits frü­her ver­öf­fent­lich­ter Hinweise.1 Anläß­lich der »Earth Hour 2012« soll ein Blick auf die soge­nann­ten Green­wa­shing-Prak­ti­ken des WWF gewor­fen wer­den.

Green­wa­shing – die Schaf­fung eines »grü­nen« Images für Unter­neh­men – ist in dem Maße, in dem der Neo­li­be­ra­lis­mus bis in die letz­ten Win­kel unse­res Pla­ne­ten vor­dringt, immer stär­ker zum Hand­lungs­feld der gro­ßen Natur­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen gewor­den. Immer umfang­rei­cher wer­den die Fir­men­spen­den bei Con­ser­va­ti­on Inter­na­tio­nal, The Natu­re Con­ser­van­cy und dem WWF. Zugleich sind die­se Orga­ni­sa­tio­nen dar­auf ange­wie­sen, ihren Ruf als Umwelt­schüt­zer zu wah­ren, weil nach wie vor ein Teil ihres Bud­gets aus den Spen­den­gel­dern bzw. Mit­glieds­bei­trä­gen gut­gläu­bi­ger Bür­ger bestrit­ten wird und weil ihre ver­meint­li­che Glaub­wür­dig­keit letzt­lich die Grund­la­ge für ihre Attrak­ti­vi­tät als »grü­ne Wasch­ma­schi­nen« bil­det. Ihre Koha­bi­ta­ti­on mit McDo­nalds, Nest­lé, diver­sen Ölkon­zer­nen und dem agro­in­dus­tri­el­len Kom­plex wird gebets­müh­len­ar­tig damit begrün­det, daß man mit­ein­an­der im Gespräch blei­ben müs­se, um etwas zu ver­än­dern.

»Nach­hal­ti­ges Palm­öl«
Der »World Wide Fund for Natu­re« spricht beson­ders gern mit Unter­neh­men des Agro­busi­ness. Doch:»Werden dem WWF durch die Doku­men­ta­ti­on [von Huis­mann] also auf brei­ter Front die­se Spen­der abhan­den kom­men?« fragt Chris­toph Seid­ler im Spie­gel und ant­wor­tet: »Ver­mut­lich nicht, denn Geld­ge­ber für die ver­meint­lich gute Sache sind ten­den­zi­ell treu.« Er bezieht sich dabei auf eine Ein­schät­zung von Burk­hard Wil­ke vom Deut­schen Zen­tral­in­sti­tut für sozia­le Fra­gen (DZI).2 Die­ser mein­te, es müs­se ins­ge­samt sehr viel zusam­men­kom­men, damit eine Orga­ni­sa­ti­on in eine Glaub­wür­dig­keits­kri­se gerät. Beim WWF ist da durch­aus eini­ges zusam­men­ge­kom­men. Bereits im Jahr 2002 wur­de unter dem Titel »Pan­da-Por­no­gra­phie, die Hoch­zeit von WWF und Wey­er­haeu­ser« die Liai­son der Natur­schutz­or­ga­ni­sa­ti­on mit der Indus­trie kri­ti­siert. Anlaß für den Bei­trag war das Über­wech­seln von Lin­da Coa­dy, damals Vize­prä­si­den­tin des für sei­ne Umwelt­zer­stö­rung an der nord­ame­ri­ka­ni­schen Pazi­fik­küs­te noto­ri­schen Holz­kon­zerns Wey­er­haeu­ser, in die Posi­ti­on der Vize­prä­si­den­tin von WWF-Kanada.3 Auch die Ver­wal­tung des J. Paul Get­ty »Umwelt­prei­ses« durch den WWF fällt in die Kate­go­rie der unge­nier­ten Nähe zu Kon­zer­nen mit rück­sichts­lo­ser Umwelt­bi­lanz. (Get­ty, Grün­der und Eigen­tü­mer der Get­ty Oil Com­pa­ny, war einer der reichs­ten Ölma­gna­ten der 1960er Jah­re.) Im sozia­len Bereich tut sich der WWF bei der Errich­tung von Natio­nal­parks durch die ent­schä­di­gungs­lo­se Ver­trei­bung loka­ler Bevöl­ke­rungs­grup­pen hervor.4

Im Jahr 2004 wur­de vom WWF der »Run­de Tisch für nach­hal­ti­ges Palm­öl« (RSPO, Round­ta­ble on Sus­tainable Palm Oil) initi­iert – ein Klub von der­zeit 539 kom­mer­zi­el­len Mit­glie­dern und 27 Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen (NGOs), dar­un­ter der WWF selbst gleich vier­mal, in Gestalt sei­ner Regio­nal­glie­de­run­gen aus Indo­ne­si­en, Malay­sia und der Schweiz sowie als WWF Inter­na­tio­nal. Der RSPO zer­ti­fi­ziert »nach­hal­ti­ges Palm­öl« und bie­tet damit den betei­lig­ten Fir­men ein »grü­nes« Image. Sowohl aus prin­zi­pi­el­len Grün­den als auch auf­grund der Details des Ver­fah­rens darf die beschei­nig­te »Nach­hal­tig­keit« bezwei­felt wer­den. Anläß­lich des Welt­ernäh­rungs­ta­ges am 16. Okto­ber 2008 lehn­ten 257 Orga­ni­sa­tio­nen aus 50 Län­dern den RSPO öffent­lich ab. In Deutsch­land wur­de eine ent­spre­chen­de Erklä­rung von 22 Orga­ni­sa­tio­nen unter­zeich­net, unter ande­rem von FIAN, Pax Chris­ti, Robin Wood, Terre des hom­mes und WEED. Ein wich­ti­ges Argu­ment dar­in war, daß groß­flä­chi­ge Mono­kul­tu­ren per se nicht nach­hal­tig sein kön­nen.

Die Fra­ge, war­um es über­haupt zu der rasan­ten Aus­deh­nung von Palm­öl­plan­ta­gen kommt, ist für die Ver­mark­ter »nach­hal­ti­gen« Palm­öls kein Gesprächs­the­ma, denn schließ­lich ist das Sie­gel ein Mar­ke­ting­in­stru­ment und dient der Umsatz­stei­ge­rung. Der glo­ba­le Ver­brauch an pflanz­li­chen Ölen hat sich in den letz­ten 30 Jah­ren ver­drei­facht, der von Palm­öl ver­zehn­facht. Bei der Dis­kus­si­on um die gestie­ge­ne Nut­zung steht oft­mals die Bei­mi­schung zu Die­sel­treib­stof­fen im Vor­der­grund. In der EU ist seit 2010 ein Anteil von min­des­tens 5,75 Pro­zent vor­ge­schrie­ben. Ab 2020 sol­len es zehn Pro­zent sein. Bereits 2009 wur­den über 13 Pro­zent der glo­bal pro­du­zier­ten 133 Mil­lio­nen Ton­nen pflanz­li­chen Öls als Treib­stoff ver­wen­det. Palm­öl wird bis­lang nur rela­tiv wenig zur Kraft­stoff­bei­mi­schung ver­wen­det, aber aus der »Umwid­mung« ande­rer Öle (Raps, Soja) zu Treib­stof­fen ergibt sich eine Lücke im Nah­rungs­mit­tel­be­reich, die mit Palm­öl geschlos­sen wird. In der Zukunft dürf­te der Ein­satz für Ener­gie­zwe­cke dras­tisch stei­gen: Inner­halb der nächs­ten zehn Jah­re plant Indo­ne­si­en, das knapp die Hälf­te allen Palm­öls pro­du­ziert, die Ver­dopp­lung sei­ner Pro­duk­ti­on auf 40 Mil­lio­nen Ton­nen, wovon die Hälf­te für Ener­gie­zwe­cke ver­wen­det wer­den soll.5 Die grund­sätz­li­che Fra­ge ist jedoch, ob der exzes­si­ve Ein­satz von Agro­treib­stof­fen über­haupt akzep­ta­bel ist – egal ob aus Ölpal­men oder Raps. Eine Fra­ge, die der WWF mit ja beant­wor­tet, denn: »Das zuneh­men­de Inter­es­se von (Bio-)Energieversorgern, Mine­ral­öl- und Auto­mo­bil­in­dus­trie, Kom­mu­nen und pri­va­ten Haus­hal­ten an (…) der Nut­zung von Bio­mas­se ist aus Sicht des WWF sehr posi­tiv zu bewerten«.6 Via RSPO wird ver­sucht, die­sen Wahn­sinn in Nach­hal­tig­keit umzu­deu­ten.

Dabei hat das Ver­fah­ren selbst gra­vie­ren­de Män­gel. Die Pro­ble­me begin­nen damit, daß nicht die gesam­te Pro­duk­ti­ons­wei­se von Unter­neh­men zer­ti­fi­ziert wird, son­dern ihre Pro­duk­ti­on auf bestimm­ten Flä­chen. Die Fir­men bezeich­nen sich als zer­ti­fi­ziert, obwohl nicht sel­ten ein gro­ßer Teil ihrer Pro­duk­ti­on von Flä­chen stammt, die über­haupt nicht begut­ach­tet wur­den. Eine Täu­schung, die der RSPO durch pro­mi­nen­te Posi­tio­nie­rung der Lis­te zer­ti­fi­zier­ter Pro­du­zen­ten auf sei­ner Web­site ver­stärkt. Erst an ver­steck­ter Stel­le auf der Home­page und auch dann nur bei genau­em Hin­se­hen wird deut­lich, daß es ein­zel­ne Plan­ta­gen sind, die zer­ti­fi­ziert wer­den.

Zu einer »nach­hal­ti­gen« Pro­duk­ti­on, soll­te man mei­nen, gehört auch der Ver­zicht auf Agro­che­mi­ka­li­en oder zumin­dest eine dras­ti­sche Reduk­ti­on ihres Ein­sat­zes. Dies ist bei indus­tri­el­ler Bewirt­schaf­tung groß­flä­chi­ger Mono­kul­tu­ren so gut wie unmög­lich. Fol­ge­rich­tig gehört dies nicht zu den Kri­te­ri­en des RSPO. Es wird ledig­lich eine »Begrün­dung« für die Ver­wen­dung von Agro­che­mi­ka­li­en ver­langt. Die Eli­mi­nie­rung hoch­to­xi­scher Ver­bin­dun­gen wie Par­aquat hat­te der Run­de Tisch bereits im März 2006 ange­kün­digt und sich dazu ver­pflich­tet, bis Novem­ber 2007 Alter­na­ti­ven zu sol­chen Pes­ti­zi­den zu fin­den. Spä­ter wur­de Novem­ber 2008 als »letz­ter Ter­min« dafür ange­setzt. Auf Anfra­ge teil­te ein RSPO-Ver­tre­ter Anfang 2012 mit, daß ein abschlie­ßen­der Bericht zu die­sem Vor­ha­ben noch immer nicht vor­liegt.

Pro­ble­ma­tisch ist außer­dem, daß sich die Unter­neh­men fak­tisch selbst zer­ti­fi­zie­ren: Die Ver­ga­be des Labels basiert zwar auf den Inspek­tio­nen und Berich­ten von Drit­ten (der TÜV Rhein­land, der unlängst wegen der gesund­heits­ge­fähr­den­den Brust­im­plan­ta­te des fran­zö­si­schen Her­stel­lers PIP in die Schlag­zei­len geriet, ist auch hier dabei), aber sowohl die Ent­schei­dung, wel­che Orga­ni­sa­ti­on mit der Inspek­ti­on beauf­tragt wird, als auch die Zuer­ken­nung des Zer­ti­fi­kats liegt in den Hän­den des RSPO Exe­cu­ti­ve Board, einem 16köpfigen Gre­mi­um mit zwölf Indus­trie­ver­tre­tern.

Mono­kul­tu­ren statt Viel­falt
Der »Round Table on Respon­si­ble Soy« (RTRS, »Run­der Tisch für ver­ant­wor­tungs­be­wußt pro­du­zier­tes Soja«) ist ein ähn­li­ches Kon­strukt wie der RSPO. Auch bei die­sem Pro­jekt ist der WWF die trei­ben­de Kraft. Nach dem glei­chen Mus­ter wie beim RSPO ver­sucht der von der Indus­trie domi­nier­te RTRS Nach­hal­tig­keit und sozia­le Ver­ant­wor­tung zu sug­ge­rie­ren. Dage­gen pro­tes­tier­ten im Jahr 2010 wie­der­um Hun­der­te NGOs und Initia­ti­ven in einem offe­nen Brief. Die Unter­zeich­ner leh­nen das RTRS-Label ab, weil die Kri­te­ri­en als voll­kom­men unge­nü­gend ange­se­hen wer­den und weil sich der Run­de Tisch als »inter­na­tio­na­le Stake­hol­der-Initia­ti­ve« ver­kauft, obwohl er in Euro­pa und Süd­ame­ri­ka weder bei der Zivil­ge­sell­schaft noch bei nach­hal­tig wirt­schaf­ten­den Fami­li­en­be­trie­ben Rück­halt fin­det. Die feh­len­de Ver­an­ke­rung des RTRS vor Ort läßt sich auch aus den Berich­ten über die im Zer­ti­fi­zie­rungs­ver­fah­ren vor­ge­schrie­be­nen Tref­fen mit den ört­li­chen Inter­es­sen­ver­tre­tern (Stake­hol­ders) able­sen. Ent­we­der fin­den sie gar nicht statt oder sie sind – den Berich­ten nach zu urtei­len – von einer Ober­fläch­lich­keit, die gera­de­zu pein­lich ist.

Ähn­lich wie die Palm­öl­kon­junk­tur steht der Soja­boom im Zusam­men­hang mit der Bei­mi­schungs­richt­li­nie für Die­sel­kraft­stof­fe. Argen­ti­ni­en und Bra­si­li­en zusam­men pro­du­zie­ren der­zeit ein reich­li­ches Drit­tel des welt­wei­ten Auf­kom­mens an Soja­boh­nen, ver­bun­den mit einem über­durch­schnitt­li­chen jähr­li­chen Wachs­tum. Bis 2020 wird der Anteil der bei­den Län­der an der Welt­pro­duk­ti­on vor­aus­sicht­lich auf über 50 Pro­zent stei­gen, vor allem durch eine Erwei­te­rung der Anbau­flä­chen – laut Pro­gno­sen um 11,6 Mil­lio­nen Hekt­ar. Rie­si­ge Mono­kul­tu­ren ver­drän­gen Klein­bau­ern und bio­lo­gi­sche Viel­falt zuguns­ten der Ver­sor­gung der glo­ba­len Märk­te mit indus­tri­el­lem Tier­fut­ter und Agro­die­sel. Obwohl die Kri­tik am Ein­satz von Agro­treib­stof­fen wegen der nach­weis­li­chen öko­lo­gi­schen und sozia­len Kon­se­quen­zen unver­min­dert anhält, ist kei­ne Bereit­schaft der Euro­päi­schen Uni­on zu einem Abrü­cken von ihren Bei­mi­schungs­zie­len zu erken­nen.

Laut einer von der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on in Auf­trag gege­be­nen Stu­die wird im Jahr 2020 der Soja­an­teil am »Biodiesel«-Mix der EU etwa 20 Pro­zent betragen.7 Beson­ders per­vers ist die Zer­ti­fi­zie­rung von gen­tech­nisch modi­fi­zier­ten (GM-)Sojabohnen und von sol­chen, die auf Flä­chen wach­sen, wo bis Mai 2009 noch Regen­wald gestan­den hat. Die »Ein­hal­tung der gel­ten­den Geset­ze« und die »Zah­lung übli­cher Löh­ne« wer­den nicht als Grund­vor­aus­set­zun­gen betrach­tet, um eine Zer­ti­fi­zie­rung über­haupt bean­tra­gen zu kön­nen, son­dern vom WWF ledig­lich als zer­ti­fi­zie­rungs­wür­di­ge Kri­te­ri­en begrüßt.

Mit Gen­tech­nik
GM-Soja unter­stützt nach Ansicht des WWF den Ein­satz min­der­gif­ti­ger Pes­ti­zi­de. Die För­de­rung einer Ent­wick­lung mit der durch agro­öko­lo­gi­sche Anbau­me­tho­den auf den Ein­satz von Pes­ti­zi­den ganz ver­zich­tet wer­den kann, kommt der Orga­ni­sa­ti­on offen­bar nicht in den Sinn. Der Favo­rit ist Roun­dup mit sei­nem Wirk­stoff Gly­pho­sat. Als Mons­an­to 1974 die Markt­zu­las­sung bean­trag­te, beschei­nig­ten die dabei ein­ge­reich­ten Stu­di­en dem Wirk­stoff eine gerin­ge Toxi­zi­tät. Doch die aku­te Gift­wir­kung kann nicht als ein­zi­ger Maß­stab gel­ten. Wenn es danach gin­ge, wäre auch der Con­ter­gan-Wirk­stoff Tha­li­do­mid, des­sen aku­te leta­le Wir­kung ober­halb von fünf Gramm pro Kilo­gramm Kör­per­ge­wicht liegt, ungif­tig. Inzwi­schen wird die Harm­lo­sig­keit von Gly­pho­sat mehr und mehr in Fra­ge gestellt.8 Zu den beob­ach­te­ten Effek­ten zäh­len Stö­run­gen des Hor­mon­haus­halts, Schä­den an Embryo­nen bzw. Föten (tier­ex­pe­ri­men­tell belegt und ver­mehr­tes Auf­tre­ten in jenen Bevöl­ke­rungs­grup­pen beob­ach­tet, die in Gebie­ten inten­si­ver Roun­dup-Anwen­dung leben) und die töd­li­che Wir­kung auf Kaul­quap­pen in umwelt­re­le­van­ten Kon­zen­tra­tio­nen.

Das in Roun­dup-Prä­pa­ra­ten ver­wen­de­te Netz­mit­tel POEA (poly­eth­oxy­lier­tes Tal­lo­wa­min), ver­stärkt die toxi­schen Effek­te des Wirk­stoffs, und das Gly­pho­sat-Abbau­pro­dukt AMPA (Ami­no­me­thyl-Phos­phon­säu­re), das sich anschei­nend in der Umwelt anrei­chert, ist ein wei­te­rer Pro­blem­punkt. Die nach­weis­li­che Bedenk­lich­keit führ­te in ver­schie­de­nen Regio­nen Argen­ti­ni­ens, Kolum­bi­ens und Isra­els zu gericht­li­chen Ver­bo­ten der Aus­brin­gung von Roun­dup mit dem Flug­zeug. Wegen mög­li­cher Ver­drif­tung ist eine Flug­zeug­aus­brin­gung mit beson­ders hohen Risi­ken einer unbe­ab­sich­tig­ten Expo­si­ti­on von Mensch und Tier ver­bun­den.

Die Dosis macht das Gift. Die­se von Para­cel­sus im 16. Jahr­hun­dert for­mu­lier­te Erkennt­nis, ist bis heu­te unan­ge­foch­ten. In dem Maße, in dem wegen der inzwi­schen exis­tie­ren­den »Super­un­kräu­ter« immer höhe­re Gly­phos­at­men­gen aus­ge­bracht wer­den müs­sen, schrumpft des­sen ohne­hin zwei­fel­haf­te Harm­lo­sig­keit. Super­un­kräu­ter sind inzwi­schen ein Rie­sen­pro­blem. Welt­weit exis­tie­ren mitt­ler­wei­le über 20 Roun­dup-resis­ten­te Unkraut­ar­ten. Das Tem­po ihrer Ent­ste­hung wird deut­lich, wenn man sich vor Augen hält, daß vor nur acht Jah­ren – 2004 – erst­mals Gly­pho­sat-resis­ten­te Unkräu­ter iden­ti­fi­ziert wur­den.

Doch der WWF führt einen wei­te­ren Plus­punkt für GM-Soja an: Nach Ansicht des WWF-Vize­prä­si­den­ten Jason Clay hilft es beim Kampf gegen den Kli­ma­wan­del. Auf der vier­ten RTRS-Kon­fe­renz im Mai 2009 schlug er vor, die Pro­du­zen­ten von zer­ti­fi­zier­tem GM-Soja über den soge­nann­ten REDD-Mecha­nis­mus zu beloh­nen. REDD ist seit der Kli­ma­kon­fe­renz 2010 im mexi­ka­ni­schen Can­cún ein nun auch offi­zi­ell von der UNO aner­kann­tes Instru­ment des CO2-Han­dels. Es bie­tet Unter­neh­men die Mög­lich­keit, statt der Umset­zung eige­ner Kli­ma­schutz­maß­nah­men Emis­si­ons­zer­ti­fi­ka­te zu kau­fen. Für die Pro­du­zen­ten von zer­ti­fi­zier­ten GM-Soja­boh­nen soll es nach den Vor­stel­lun­gen des WWF die Mög­lich­keit geben, wegen ihrer »kli­ma­freund­li­chen« land­wirt­schaft­li­chen Pra­xis von den »Koh­len­stoff­märk­ten« zu pro­fi­tie­ren. Beim Ein­satz von Roun­dup-Rea­dy-Sor­ten wird auf das Pflü­gen des Bodens (zur mecha­ni­schen Unkraut­be­kämp­fung) ver­zich­tet. Das Her­bi­zid tötet alles, was nicht gen­tech­nisch modi­fi­ziert oder – sie­he oben – resis­tent gewor­den ist. Die­ser Ver­zicht auf das Pflü­gen (»No-Till«-Technologie) könn­te dann in ein­ge­spar­te CO2-Emis­si­on umge­rech­net und anschlie­ßend in Form von Zer­ti­fi­ka­ten in den glo­ba­len Emis­si­ons­han­del ein­ge­bracht wer­den. Das eigent­li­che Motiv des WWF ist die Deckung eines Teils der Kos­ten für die Ver­ga­be des RTRS-Labels, da es nur zöger­li­chen Zulauf fin­det. Mons­an­to jubelt über den neu­en Ver­bün­de­ten, denn seit Jah­ren bemü­hen sich sei­ne Lob­by­is­ten, CO2-Zer­ti­fi­ka­te für die Ver­wen­dung her­bi­zid-resis­ten­ter Sor­ten gel­tend machen zu kön­nen.

Wäh­rend »No-Till« als Ver­fah­ren zur Ver­rin­ge­rung von Boden­ero­si­on und zur Ver­bes­se­rung des Was­ser­haus­halts seit Jahr­zehn­ten aner­kannt ist, steht die ver­meint­lich höhe­re Koh­len­stoff­bin­dung im Boden als äußerst umstrit­te­ne Ver­mu­tung im Raum. Nach Aus­wer­tung der ver­füg­ba­ren Lite­ra­tur kom­men die Wis­sen­schaft­ler des For­schungs­in­sti­tuts für Bio­lo­gi­schen Land­bau (FiBL) in Frick (Schweiz) zu dem Schluß, daß es bis­lang kein Ver­fah­ren für eine brauch­ba­re Abschät­zung der CO2-Bilan­zen im Boden gibt, die eine Bewer­tung des »No-Till«-Effekts für den Emis­si­ons­han­del zuließen.9 Das hin­dert weder Mons­an­to dar­an, »Paket­lö­sun­gen« von »No-Till«, GM-Sor­ten und Her­bi­zid­an­wen­dung anzu­bie­ten, noch den WWF, das Label vom »ver­ant­wor­tungs­be­wußt pro­du­zier­ten Soja« mit rech­ne­risch erfun­de­nen CO2-Zer­ti­fi­ka­ten zu ver­sü­ßen.

Zuge­ständ­nis­se an Fir­men
Sowohl bei der ein­gangs erwähn­ten »Earth Hour« als auch bei den »Round Tables« wird der Öffent­lich­keit »demo­kra­ti­sches Mit­spra­che­recht« sug­ge­riert. Natio­na­le Regie­run­gen über­las­sen aus Angst vor Sank­tio­nen durch die Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on (WTO) nicht­staat­li­chen Initia­ti­ven das Feld. Dazu gehö­ren der »Forest Ste­ward­ship Coun­cil« (FSC), die hier dis­ku­tier­ten RSPO und RTRS sowie wei­te­re vom WWF initi­ier­te Pro­jek­te zu »bes­se­rer Baum­wol­le« (»Bet­ter Cot­ton Ini­ta­ti­ve«, BCI), »bes­se­rem Zucker­rohr« (»Bet­ter Sug­ar­ca­ne Initia­ti­ve«, BSI) und »nach­hal­ti­gem Bio­treib­stoff« (»Round Table on Sus­tainable Bio­fuel«). Die in den letz­ten 20 Jah­ren ent­stan­de­nen Run­den Tische sind der Ver­such eines sys­tem­kon­for­men Aus­wegs aus dem neo­li­be­ra­len Dilem­ma. Regie­run­gen begrün­den den Ver­zicht auf gesetz­li­che Rege­lun­gen expli­zit mit deren Exis­tenz. So argu­men­tier­te der nie­der­län­di­sche Land­wirt­schafts­mi­nis­ter im Jahr 2008, daß der RSPO eine viel­ver­spre­chen­de inter­na­tio­na­le Initia­ti­ve auf frei­wil­li­ger Basis sei, womit sich ein gesetz­li­cher Rah­men zur Ein­schrän­kung des Imports von nicht nach­hal­ti­gem Palm­öl erübrige.10 Die Nie­der­lan­de mit dem Hafen von Rot­ter­dam und dem Lebens­mit­tel­rie­sen Uni­le­ver neh­men beim Palm­öl­ge­schäft in Euro­pa eine Schlüs­sel­stel­lung ein.

Einer der grund­le­gen­den Wider­sprü­che die­ser markt­ba­sier­ten Initia­ti­ven ist der Spa­gat zwi­schen dem bin­den­den Cha­rak­ter, den die ange­streb­ten Nach­hal­tig­keits­kri­te­ri­en eigent­lich haben müß­ten, und der man­geln­den Bereit­schaft der Unter­neh­men, sich auf sol­che ein­zu­las­sen. Letz­te­res ist nicht pri­mär eine mora­li­sche Fehl­leis­tung, son­dern Resul­tat des Wir­kens der öko­no­mi­schen Geset­ze des Kapi­ta­lis­mus: Pro­fit­ma­xi­mie­rung ist ein objek­ti­ver Zwang. Die obli­ga­to­ri­sche Durch­set­zung »har­ter« Nach­hal­tig­keits­kri­te­ri­en hät­te zur Fol­ge, daß sich kaum ein Unter­neh­men dar­auf ein­las­sen wür­de. Des­halb wer­den an den Run­den Tischen ent­we­der Zuge­ständ­nis­se bei der Här­te der Kri­te­ri­en oder bei deren kon­se­quen­ter Anwen­dung gemacht, zumeist aber in bei­den Berei­chen gleich­zei­tig. Im Fall des RSPO ist es vor allem die feh­len­de Durch­set­zung der fest­ge­leg­ten Spiel­re­geln. In ihrer Ana­ly­se ver­wei­sen Greet­je Schou­ten und Pie­ter Glas­ber­gen dar­auf, daß ein Aus­schluß aus dem RSPO, der bei einer wie­der­hol­ten Ver­let­zung der Regeln eigent­lich ange­zeigt wäre, nicht erfolgt. Noch schwe­rer wiegt die Tat­sa­che, daß der »Code of Con­duct« des RSPO Vor­ga­ben zur Mes­sung, Über­prü­fung und Durch­set­zung von ein­ge­for­der­ten Ver­bes­se­run­gen von vorn­her­ein ver­mei­det. So bleibt die Anpran­ge­rung der Ver­let­zung von Men­schen­rech­ten und öko­lo­gi­schen Nor­men (Ver­trei­bun­gen, Abhol­zung von Pri­mär­wald) auf der Stre­cke. Dies über­neh­men letzt­lich Orga­ni­sa­tio­nen, die nicht am RSPO teil­neh­men. Die Regel­ver­stö­ße des indo­ne­si­schen Plan­ta­gen­be­trei­bers PT Smart wur­den nicht vom RSPO geahn­det, son­dern auf­grund des außer­halb erzeug­ten öffent­li­chen Drucks.11 Auf­grund der Pro­tes­te ent­schied der Lebens­mit­tel­kon­zern Uni­le­ver, kein Palm­öl mehr von PT Smart zu kau­fen. Weder an der Benen­nung des Pro­blems noch an der Sank­tio­nie­rung der Ver­ge­hen war der RSPO betei­ligt, obwohl bei­de – der Plan­ta­gen­be­trei­ber und der Lebens­mit­tel­kon­zern – Teil­neh­mer des Run­den Tisches sind. Das wirft ein Licht auf den Cha­rak­ter des »Im-Gespräch-Blei­bens«, den der WWF und ande­re NGOs pro­pa­gie­ren.

Natur­schutz ohne Men­schen
Der Vor­wurf des Green­wa­shings, so berech­tigt er ist, greift zu kurz. Die Liai­son zwi­schen den trans­na­tio­na­len Natur­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen und dem Agro­busi­ness geht weit über die Run­den Tische hin­aus. Das Mosa­ik an Initia­ti­ven, Mei­nungs­äu­ße­run­gen und Pro­gno­sen des WWF (und von Orga­ni­sa­tio­nen wie Con­ser­va­ti­on Inter­na­tio­nal und The Natu­re Con­ser­van­cy) läßt eine Visi­on erken­nen, in der die Welt in drei Tei­le zer­fällt: urba­ne Berei­che, hoch­ge­rüs­te­te Flä­chen indus­tria­li­sier­ter Land­wirt­schaft und men­schen­lee­re Natur­schutz­ge­bie­te. Die­se Visi­on ist nicht neu. Doch gelang­te sie durch die unver­blüm­ten Pro-Gen­tech­nik-Äuße­run­gen von WWF-Vize Clay in letz­ter Zeit stär­ker ins öffent­li­che Bewußt­sein. Sie ist die logi­sche Fort­set­zung eines »Natur­schutz ohne Men­schen«, des­sen kolo­ni­al-his­to­ri­sche Wur­zeln sich bis ins 19. Jahr­hun­dert zurück­ver­fol­gen lassen.12
Anmer­kun­gen

1 vgl. www.wilfried-huismann.de; Peder­sen, K: Natur­schutz und Pro­fit, Unrast-Ver­lag Müns­ter 2008

2 Seid­ler, C. (2011): Sturm im Pan­da­land, Spie­gel Online vom 23.6.2011

3 Clair, J.S. (2002): Pan­da porn, the mar­ria­ge of WWF and Wey­er­haeu­ser. Coun­ter­punch vom 5.12.2002 www.counterpunch.org

4 Peder­sen, a.a.O.

5 Teoh, C.H. (2010): Key Sus­taina­bi­li­ty Issues in the Palm Oil Sec­tor. World Bank, IFC

6 www.wwf.de/themen/landwirtschaft/bioenergie/ (der Text auf die­ser Web­site wur­de vom WWF mitt­ler­wei­le geän­dert)

7 Al-Rif­fai, P. u.a. (2010): Glo­bal Trade and Envi­ron­men­tal Impact Stu­dy of the EU Bio­fuels Man­da­te

8 Anto­niou, M. u.a. (2010): GV-SOJA – Nach­hal­tig? Ver­ant­wor­tungs­be­wusst? und Mer­tens, M. (2011): Gly­pho­sat und Agro­gen­tech­nik

9 Gat­tin­ger, A. u.a.: No-till agri­cul­tu­re – a cli­ma­te smart solu­ti­on? MISEREOR, Aachen 2011

10 Schou­ten, G., Glas­ber­gen, P. (2011): Crea­ting legi­ti­ma­cy in glo­bal pri­va­te gover­nan­ce: The case of the Round­ta­ble on Sus­tainable Palm Oil. Eco­lo­gi­cal Eco­no­mics 70: 1891-1899

11 Schou­ten, G., Glas­ber­gen, P., a.a.O.

12 Peder­sen, a.a.O.

erschie­nen in jun­ge Welt vom 31.3.2012

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