Sprengt die Wert­schöp­fungs­ket­ten !!

Von Peter Claus­ing

Den offi­zi­el­len Start von vier Groß­pro­jek­ten des »Ger­man Food Partnership«-Programms (GFP) am 5.11.2013 nah­men meh­re­re Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen zum Anlass, die­se »Ent­wick­lungs­po­li­tik im Dienst deut­scher Kon­zer­ne« scharf zu kri­ti­sie­ren. Das Forum Umwelt und Ent­wick­lung for­der­te, »das FDP-Pro­jekt unver­züg­lich zu stop­pen«, und Jan Urhahn, Land­wirt­schafts­exper­te des ent­wick­lungs­po­li­ti­schen Netz­werks INKOTA, hob her­vor, daß die Bun­des­re­gie­rung mit GFP unter dem Deck­man­tel von Hun­ger- und Armuts­be­kämp­fung ein­sei­tig die Wirt­schafts­in­ter­es­sen deut­scher und euro­päi­scher Unter­neh­men wie BASF, Bay­er Crop Sci­ence oder Syn­gen­ta bedie­ne. Neben den trans­na­tio­na­len Agrar­kon­zer­nen fin­den sich unter den zehn GFP-Part­nern auch die Han­dels­ket­te Metro, der Ver­band der Nah­rungs­mit­tel- und Ver­pa­ckungs­ma­schi­nen und die Dün­ge­mit­tel­in­dus­trie. Bereits die Zusam­men­set­zung die­ser »Part­ner­schaft« lässt erken­nen, dass es um die Schaf­fung ver­ti­kal inte­grier­ter Wert­schöp­fungs­ket­ten geht, bei denen bekannt­lich der Wert vor allem am unte­ren Ende der Ket­te von den Bäue­rin­nen und Bau­ern geschaf­fen und dann schritt­wei­se nach oben trans­fe­riert wird.

Mit einem Gesamt­vo­lu­men von ins­ge­samt 78 Mil­lio­nen Euro wer­den eine »Kar­tof­fel-Initia­ti­ve«, eine »Ölsaa­ten-Initia­ti­ve« und eine »Kon­kur­renz­fä­hi­ge Reis-Initia­ti­ve« in Afri­ka sowie eine »Initia­ti­ve zu bes­se­rem Reis« in Asi­en finan­ziert. Ver­gli­chen mit dem seit 2006 lau­fen­den Pro­jekt der Bill & Melin­da Gates-Stif­tung »Alli­anz für eine Grü­ne Revo­lu­ti­on in Afri­ka«, in des­sen Rah­men bis­lang 400 Mil­lio­nen Dol­lar nach Afri­ka flos­sen, mutet GFP wie ein Juni­or­part­ner an. Bei­de Vor­ha­ben kon­zen­trie­ren sich bei glei­cher Inten­ti­on auf zum Teil unter­schied­li­che Pro­duk­ti­ons­be­rei­che. Mit dem Ziel, jenes Vier­tel der afri­ka­ni­schen Klein­bau­ern­schaft, das für pro­fi­ta­bel gehal­ten wird, in glo­ba­le Wert­schöp­fungs­ket­ten ein­zu­bin­den, geht es bei den Pro­jek­ten letzt­end­lich um die Erschlie­ßung neu­er Märk­te für deut­sche und euro­päi­sche Unter­neh­men. Wie bei vie­len soge­nann­ten Win-Win-Vor­ha­ben (aus dem Eng­li­schen: alle Betei­lig­ten gewin­nen) wird auch hier ein Groß­teil der Bevöl­ke­rung nicht in den Genuss der Seg­nun­gen die­ser Inves­ti­tio­nen kom­men. Schlim­mer noch: Wie ame­ri­ka­ni­sche For­sche­rin­nen anhand der sozia­len Aus­wir­kun­gen des Gates-Pro­jekts her­aus­fan­den, ist zu erwar­ten, dass die Situa­ti­on bei den rest­li­chen 75 Pro­zent der Bau­ern­schaft nicht nur sta­gniert, son­dern sich sogar ver­schlim­mert.

Die kom­mer­zi­el­len Pro­jekt­part­ner beto­nen, dass es ihnen nicht um die Plat­zie­rung von Pro­duk­ten gehe. Sie räu­men aber zugleich ein, dass die Rah­men­be­din­gun­gen so sein müs­sen, dass sich pri­va­te Inves­ti­tio­nen loh­nen. Im Klar­text: Zuguns­ten der Pro­fit­mar­ge sol­len Zoll­bar­rie­ren und ande­re Han­dels­be­schrän­kun­gen fal­len, die zuvor noch ein wenig Geld in die maro­den Staats­kas­sen der Ziel­län­der spül­ten. Nach Ein­schät­zung von kri­ti­schen Beob­ach­tern soll mit GFP der afri­ka­ni­sche Markt außer­dem für die mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men erschlos­sen wer­den. Für die­se wäre das neue Ter­ri­to­ri­um ohne die markt­vor­be­rei­ten­den Maß­nah­men der »Part­ner­schaft« zu unsi­cher. Ähn­lich wie bei der Gate-Alli­anz geht es beim GFP-Pro­gramm statt der ver­meint­li­chen Bera­tung afri­ka­ni­scher Regie­run­gen um die Schaf­fung güns­ti­ger Rah­men­be­din­gun­gen für die deut­sche Indus­trie. Dabei kommt der Deut­schen Gesell­schaft für Inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit (GIZ) als Organ der Bun­des­re­gie­rung eine Schlüs­sel­rol­le zu.

Bei der »Kon­kur­renz­fä­hi­gen Reis-Initia­ti­ve« in Afri­ka wird es eine direk­te Zusam­men­ar­beit zwi­schen GFP und Gates-Stif­tung geben. Von den 34 Mil­lio­nen Dol­lar (etwa 25 Mil­lio­nen Euro) für die­ses Pro­jekt haben die Stif­tung 17,2 Mil­lio­nen, das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit (BMZ) 3,35 Mil­lio­nen und der pri­va­te Sek­tor 11,7 Mil­lio­nen zuge­sagt. Jeweils eine Mil­li­on Euro steu­ern die Wal Mart Foun­da­ti­on (der US-Han­dels­rie­se ist einer der fünf größ­ten Kon­zer­ne der Welt; jW) und Syn­gen­ta Foun­da­ti­on bei. Imple­men­tiert wird das Gan­ze von der GIZ. Die »Kon­kur­renz­fä­hi­ge Reis-Initia­ti­ve«, die sich in Bur­ki­na Faso, Gha­na und Nige­ria ent­fal­ten soll, ruft Erin­ne­run­gen an ein ähn­li­ches Pro­jekt in Sene­gal wach, das in der ers­ten Hälf­te der 1980er Jah­re von der Welt­bank finan­ziert wur­de. Des­sen Trüm­mer sind seit Jah­ren im Tal des Sene­gal­flus­ses zu besich­ti­gen.

Aus der Per­spek­ti­ve einer anzu­stre­ben­den Ernäh­rungs­sou­ve­rä­ni­tät für die Län­der im sub­sa­ha­ri­schen Afri­ka ist auch der Sinn der »Kar­tof­fe­l­in­itia­ti­ve« nicht nach­voll­zieh­bar. Das BMZ argu­men­tiert mit hohen Hekt­ar­er­trä­gen und dem rela­tiv gerin­gen Was­ser­be­darf der Kar­tof­fel und ver­schweigt dabei, dass die Pflan­zen stark von exter­nen Inputs abhän­gig sind. Dazu zäh­len nicht nur Saat­gut und Pes­ti­zi­de, son­dern ange­sichts der begrenz­ten Halt­bar­keit auch Kapa­zi­tä­ten für eine gekühl­te Lage­rung – unter afri­ka­ni­schen Bedin­gun­gen ein Irr­sinn. Das Forum Umwelt und Ent­wick­lung beklagt fer­ner, dass das BMZ mit die­sem Pro­jekt die stand­ort­spe­zi­fi­sche und kul­tu­rel­le Bedeu­tung loka­ler ange­pass­ter Knol­len­früch­te wie Yams, Taro, Mani­ok oder Süß­kar­tof­feln igno­riert und weist dar­auf hin, dass zum Bei­spiel die Süß­kar­tof­fel nähr­stoff­rei­cher ist und sich ein­fa­cher in bestehen­de Anbau­sys­te­me inte­grie­ren und leich­ter kul­ti­vie­ren lässt. Außer­dem kri­ti­siert das Forum das Feh­len einer ent­wick­lungs­po­li­ti­schen Bedarfs­ana­ly­se zu Beginn der Part­ner­schaft und dass die Klein­bäu­re­rin­nen und Klein­bau­ern weder in deren Steu­er­gre­mi­en ver­tre­ten sind noch ander­wei­tig gehört wur­den. Eine Rea­li­sie­rung des gefor­der­ten Stopps des »FDP-Pro­jekts« ist nicht abzu­se­hen.
»Ger­man Food Part­ner­ship« (GFP) ist ein Pro­jekt des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung. Es soll laut Eigen­wer­bung »öffent­li­che und pri­va­te Akteu­re« zusam­men­brin­gen, »um Pro­jek­te und Pro­gram­me zum Auf­bau sta­bi­ler land­wirt­schaft­li­cher Wert­schöp­fungs­ket­ten sowie zur Aus­wei­tung der land­wirt­schaft­li­chen Pro­duk­ti­on zu imple­men­tie­ren«.

Erschie­nen in jun­ge Welt 8.11.2011

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