Baumrinden-Monitoring der Pestizid-Belastung über die Luft: Eine toxikologische Bewertung
Der volle Bericht dieser für das „Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e.V.“ erstellten Analyse befindet sich hier
Hier die Zusammenfassung:
In einer 2019 veröffentlichten Studie zu einem bundesweiten Monitoring der Immissionsbelastung der Luft durch Pestizide wurden insgesamt 104 verschiedene Pestizide nachgewiesen. Im vorliegenden Bericht werden 15 der am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffe näher betrachtet: Boscalid, Clomazon, Diflufenican, Epoxiconazol, Ethofumesat, Flufenacet, Glyphosat, Metalaxyl, Metazachlor, Pendimethalin, Prosulfocarb, Prothioconazol, S-Metolachlor, Tebuconazol, Terbuthylazin. Hervorzuheben ist, dass 13 von 14 Wirkstoffen (für den 15. Wirkstoff war kein adäquater Wert für den Dampfdruck vorhanden) offiziell als nicht flüchtig einzustufen sind, wenn man die Kriterien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA 2014) zugrunde legt, d.h. ihr Dampfdruck beträgt weniger als 5 x 10-3, gemessen bei 25 °C (Tabelle 3).
Während Clomazon als einziger Wirkstoff einen Wert oberhalb dieser Grenze aufweist, wurden beim Baumrindenmonitoring 11 Wirkstoffe mit „schwacher Flüchtigkeit“ an Standorten nachgewiesen, die sich in mittlerer (mehrere hundert Meter) bis weiter Entfernung (über 1 km) von landwirtschaftlichen Nutzflächen befanden (Tabelle 4). In der vorliegenden Studie wird erläutert, dass die Berücksichtigung einer Exposition des Menschen über die Atemluft ungenügend ist und warum das ein Problem darstellt. Zu den Problempunkten zählen ein eventuell unterschiedlicher Metabolismus (Abbau im Körper) der Pestizide, wenn sie über die Lunge in den Körper gelangen, die ungenügende Berücksichtigung einer Mehrfachbelastung des
Organismus durch verschiedene Pestizide und/oder durch das gleiche Pestizid bei parallelem Eintritt in der Körper durch den Magen-Darm-Trakt und die Lunge.
Wegen der besonderen Bedeutung einer möglichen Krebsgefahr durch Pestizide wurde von 13 Wirkstoffen die Bewertung der Krebsgefahr in den Behördenberichten einer kritischen Analyse unterzogen, wobei die offiziell geltenden Maßstäbe die Grundlage bildeten. Nur für vier Wirkstoffe (Epoxiconazol, Ethofumesat, Flufenacet, Prothioconazol) war die Krebsbewertung in den Behördenberichten ausreichend detailliert und die Einstufung als „nicht krebserregend“ schlüssig begründet. Bei sieben Wirkstoffen (Boscalid, Glyphosat, Metalaxyl, Pendimethalin, Prosulfocarb, S-Metolachlor, Terbuthylazin) wiesen entweder die Studien selbst oder deren Bewertung erhebliche Mängel auf. Für zwei Wirkstoffe (Clomazon, Diflufenican) enthielten die Bewertungsberichte so wenige Details, dass eine unabhängige Bewertung nicht möglich war. Aus dem Dargestellten ergeben sich die nachstehenden Schlussfolgerungen:
– Die Kriterien der Bewertung einer möglichen Exposition des Menschen über die Atemluft, die bisher nur den Dampfdruck der Wirkstoffe einbeziehen, müssen dringend überprüft werden.
– Die Risikobewertung einer Pestizidexposition über die Atemluft erfolgt derzeit nur aus einer stark eingeschränkten Sichtweise. Ähnlich wie bei der ebenfalls noch ungenügenden Bewertung von Mehrfachrückständen in Lebensmitteln bedarf die Risikobewertung einer inhalativen Exposition einer Aktualisierung.
– Die Bewertung der Krebsgefahr, einer kritischen Stoffeigenschaft, war bei sieben von 13 der am häufigsten in Baumrindenproben gefundenen Wirkstoffe ungenügend. Dass die Behörden regelmäßig ihre eigenen Bewertungskriterien falsch anwenden oder außer Acht lassen, und dadurch zu einer verharmlosenden Krebsbewertung kommen, ist völlig inakzeptabel. Es zeigt sich, dass das Behördenversagen bei der Krebsbewertung von Glyphosat kein Einzelfall war.