Vielfalt oder Monopol?
Europäische Saatgutaktionstage: Teilnehmer kritisieren Gesetzesvorhaben als Gelddrucklizenz für Konzerne und fordern Umdenken
Peter Clausing, Brüssel
Das Kulturzentrum in der Maison de la Paix im Brüsseler Stadtteil Molenbeek hatte sich am Sonntag in eine Saatguttauschbörse verwandelt. Dreißig Erhaltungsinitiativen für bedrohte, nichtkommerzielle Gemüse- und Getreidesorten aus zwölf europäischen Ländern sowie der Türkei und Indien waren bei den ersten Europäischen Saatgutaktionstagen präsent. Sie diskutierten die möglichen Folgen einer verschärften Gesetzgebung und Strategien, wie diese verhindert werden kann. Am Montag wurden Gespräche geführt, Kontakte zwischen den Teilnehmern geknüpft bzw. vertieft. Vor allem aber wurde demonstriert: Ein Protestmarsch führte die Teilnehmer zu den Brüsseler Vertretungen des Bayer-Konzerns, der Vereinigung der Europäischen Saatgutfirmen sowie zum Sitz des Europa-Parlaments. 51416 Unterschriften von Bürgern aus 20 Ländern wurden dort übergeben und sorgten dafür, diesem drängenden Thema mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Agroökologie contra Land Grabbing
Die Protagonisten des Land Grabbing behaupten, dass ihre „Agrarinvestitionen“ dazu beitragen die künftige Welternährung zu sichern. Industrielle Großflächenwirtschaft hat keine Perspektive. Es mehren sich die wissenschaftlichen Publikationen, dass eine kleinbäuerliche, agrarökologischen Bewirtschaftung den Schlüssel zur Ernährung von 9 Milliarden Menschen darstellt. Hier die Präsentation (Land Grabbing und Agroökologie) zu einem Vortrag vom 13.4.2011 im FDCL in Berlin.
Europäische Aktionstage für Saatgut-Souveränität am 17./18. April 2011 in Brüssel
Freies Saatgut für alle!
Aufruf zu internationalen Saatgut-Aktionstagen in Brüssel 17./18.4.2011
Für die Vielfalt des Saatgutes in den Händen von BäuerInnen und GärtnerInnen setzen sich in Europa zehntausende Menschen ein. Sie wollen damit die Grundlage unserer Ernährung bewahren. Dagegen steht die Saatgutindustrie. Sie will letztendlich weltweit die Kontrolle über das Saatgut ausüben. Gentechnik, Patente auf Pflanzen und Tiere sowie die Einführung von Nachbaugebühren haben vielen die Augen dafür geöffnet. Dazu kommen die Terminatortechnologie und Verbote bäuerlicher Sorten.
Das wurde mit der Unterschriftenaktion „Zukunft säen – Vielfalt ernten“ in den letzten beiden Jahren angeprangert. Sich richtet sich gegen die derzeitige Überarbeitung der Saatgutgesetze in der EU, die vom Interesse der Industrie an der Kontrolle des Saatgutes geprägt ist.
„Kämpfe um Saatgut“ – Einladung zu einem BUKO-Seminar vom 14.-16.1.2011 bei Kassel
„Kämpfe um Saatgut“
Seminar der BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie:
Fr., 14.1., bis So., 16.1.2011
Niederkaufungen bei Kassel
*** Einladung ***
Seed-Sovereignty ist das Ziel – aber wo sind die Wege dorthin?
Weltweit ist Saatgut das Ausgangsmaterial für die Nahrungsmittelproduktion. Die Souveränität von LandwirtInnen über Saatgut, „Seed-sovereignty” ist die Grundlage für die Ernährungssouveränität. Aber der gesamte Bereich steht unter massivem Privatisierungs- und Monopolisierungsdruck durch die transnationalen Saatgutkonzerne. Immer strengere Vorschriften und Gesetze schränken selbst das Tauschen und Verschenken von Saatgut ein. Außerdem verschwinden viele regionale Sorten durch die Fokusierung auf wenige Sorten bei den Anbaumethoden der industriellen Landwirtschaft und ihre „industrielle“ Sorten.
Das Recht auf Vielfalt – Der Kampf um krisensicheres Saatgut
Die Transformation der Landwirtschaft. Über die Geschäftspraktiken der internationalen Saatgutindustrie. Teil II (und Schluß): Der Kampf um krisensicheres Saatgut
Von Anne Schweigler und Peter Clausing
Den im Laufe des 20. Jahrhunderts entstandenen Saatgutkonzernen gelang es Schritt für Schritt, ihre Monopolmacht zu etablieren und juristisch abzusichern – ein bis heute andauernder Prozeß. Das betrifft sowohl die Bemühungen, die bestehende monopolfreundliche Gesetzgebung auszuweiten als auch die Verdrängung alter Kulturpflanzen, Landsorten genannt, in jenen Teilen der Erde, wo industrielle Landwirtschaft und das dazugehörige Saatgut noch nicht durchgesetzt worden sind. Die Länder des Südens haben aus Sicht der Konzerne in beiden Punkten den größten »Nachholbedarf« und sind demzufolge besonders verletzlich.
Kuba: Revolution der Nachhaltigkeit
Aus: land & wirtschaft, junge Welt-Beilage vom 04.08.2010
Peter Clausing
Kubas Landwirtschaft befindet sich in einer wichtigen Phase, auch wegen der Schlüsselposition, die ihr im Rahmen der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung beigemessen wird. Staatspräsident Raul Castro sprach von einer »Frage der nationalen Sicherheit«. Angesichts der rund 1,5 Milliarden US-Dollar, die derzeit noch jährlich für Lebensmittelimporte ausgegeben werden müssen, überrascht es nicht, daß dem Ziel der Ernährungssouveränität so hohe Priorität eingeräumt wird. Und Kuba hat günstige Voraussetzungen, um dieses Ziel zu erreichen – trotz wetterbedingter Ernteverluste (im Jahr 2008 wurde zum Beispiel ein Drittel der gesamten Ernte durch Hurrikans vernichtet). Denn das Land verfügt über optimale natürliche Rahmenbedingungen und die nötige Infrastruktur für schnelle Wissensvermittlung. Daß dies mit einer umweltverträglichen und damit wirklich nachhaltigen Produktionsweise möglich ist, haben die über 200000 kleinbäuerlichen Familienbetriebe unter Beweis gestellt, die auf inzwischen 41 Prozent der Ackerfläche bereits 70 Prozent des landwirtschaftlichen Bruttoinlandsprodukts erzeugen. Rund die Hälfte von ihnen betreibt Biolandbau.
Kubas grünes Projekt
Erschienen in „junge Welt“ vom 05.05.2010
Peter Clausing
Reformierte Landwirtschaft: Ausweitung der Nutzfläche, Fokussierung auf Familienbetriebe, ökologischer Anbau und urbane Gemüseproduktion
Am 16. März 2010 verstörte eine Meldung mit der Überschrift „Kuba schließt 100 Agrarunternehmen“ [1] die Leser. Während sich jW auf diese Meldung beschränkte, beeilten sich andere Medien hinzuzufügen, dass Kuba 60 bis 70 Prozent seiner Nahrungsmittel importieren müsse. Präsident Raúl Castro suche nach „Rezepten“, um die landwirtschaftliche Produktion zu steigern. Derartige Meldungen entkoppeln die Fakten vom Kontext, zeichnen ein einseitiges Bild und ignorieren die Tatsache, dass die gesuchten „Rezepte“ längst praktiziert werden. Die Mitteilung, dass 100 Betriebe geschlossen werden sollen und 40.000 Beschäftigte einen neuen Job finden müssen, kam vom kubanischen Landwirtschaftsminister Ulises Rosales del Toro, der Mitte März in Villa Clara an der Plenarsitzung des 10. Provinz-Kongresses des Nationalen Kleinbauernverbandes teilnahm.
Ein Landwirtschaftsmodell zur Versorgung der Welt
Von Devinder Sharma | 24.Januar 2010
In zehn Jahren, im Jahr 2020, können die indische Landwirtschaft und gleichermaßen die Landwirtschaft der ganzen Welt in ein gesundes und lebensfähiges System verwandelt sein, in dem die Selbstmorde der Bauern der Geschichte angehören, in dem Elend und Verzweiflung durch Stolz am Anbauen ersetzt worden sind, wo Landwirtschaft wahrhaft langfristig und nachhaltig geworden ist und keine Wärme der globalen Umwelt hinzufügt.
Mit dem Beginn von 2010 wird das Drehbuch für eine künftige Landwirtschaft geschrieben, das das Lächeln auf dem Antlitz des Bauern zurückbringt, ohne Wunden in der Umwelt zu hinterlassen.
Zukunft säen – Vielfalt ernten
Wir rufen zu einer europaweiten Kampagne auf: für gentechnikfreies Saatgut, für die Erhaltung des bäuerlichen Rechts, Samen aus eigener Ernte zu gewinnen, zu tauschen und zu vermarkten, für Transparenz im Saatgutbereich und für langfristige Ernährungssouveränität. Wir wehren uns gegen die Monopolisierung des Saatgutes durch transnationale Konzerne und eine weitere Verschärfung geistiger Eigentumsrechte auf Pflanzen.
Reale Alternativen
Erschienen in „junge Welt“ vom 18.11.2009
Peter Clausing
Hintergrund. Wider das agroindustrielle Doping – eine andere Landwirtschaft ist möglich. Überlegungen anläßlich des diesjährigen Welternährungsgipfels
Noch bis zum heutigen Mittwoch findet in Rom der Welternährungsgipfel statt. Der nach 1996 und 2002 dritte Gipfel weist in mehrfacher Hinsicht Besonderheiten auf. Nie zuvor waren Machtkonzentration und Verflechtung von Agrar- und Biotechnologiekonzernen, lebensmittelverarbeitender Industrie und Handelsketten so groß. Doch auch die Sackgasse, in die diese Entwicklung führt, war noch nie so deutlich erkennbar. So wächst vor dem Hintergrund der globalen kapitalistischen Krise und einer steigenden Zahl hungernder Menschen die Notwendigkeit, einen Ausweg aus dieser Situation zu finden. Internationale Bewegungen wie Via Campesina, die solche Alternativen einfordern und praktizieren, finden zunehmend Gehör. Nationale Initiativen wie die brasilianische Bewegung der Landlosen (MST in portugiesischer Abkürzung) sind auf der Basis jahrelanger Kampferfahrung fest etabliert und können beachtliche Erfolge vorweisen.1