Energieschleuder Agrarindustrie
von Peter Clausing In den letzten Jahrzehnten sind die Hektarerträge der industriellen Landwirtschaft erheblich gestiegen. Erkauft wurde dieser Zuwachs mit einem extrem hohen Einsatz fossiler Energieträger. Doch inzwischen ist die Euphorie über die Wunder der „grünen Revolution“ verflogen und es macht sich Ernüchterung breit. Trotz des fortgesetzten Einsatzes erdölbasierter Ressourcen stagnieren die Erträge oder sinken sogar. Eine wesentliche Ursache ist die nachlassende Bodenfruchtbarkeit aufgrund der vernachlässigten organischen Düngung und der Versalzung bewässerter Böden in semiariden Regionen. Mehr Aufwand als Ertrag Seit der Erdölkrise Mitte der 1970er-Jahre interessieren sich Wissenschaftler verstärkt für die Energiebilanzen landwirtschaftlicher Produktion. Fasst man die gewonnenen Erkenntnisse zusammen, wird schnell klar: Bei industriemäßiger Großflächenwirtschaft wird mehr (fossile) Energie verbraucht, als am Ende in der verzehrten Nahrung steckt (Pimentel, 1980). Außer jener Energie, die in der eigentlichen Produktion steckt, werden auch die für den Transport zu den Märkten und zur Herstellung von Verpackungsmaterial aufgewendete Energie und weitere Faktoren berücksichtigt. Daraus ergibt sich in der intensiven Landwirtschaft ein Aufwand...
Lesezeit: 5 MinutenSanamadougou und Sahou müssen bleiben: Landraub stoppen – in Mali und überall sonst!
August 2014: Internationaler Appell der europäischen Sektion von Afrique-Europe-Interact [*] Anfang 2013 ist Mali kurzzeitig in die internationalen Schlagzeilen geraten. Islamistische Milizen hatten den Norden des Landes besetzt, es folgte eine internationale Militärintervention unter Führung Frankreichs, in deren Verlauf zumindest größere Städte wie Timbuktu und Gao befreit werden konnten. Und doch hat sich das Leben für die Masse der Bevölkerung kaum verändert – weder im Norden noch in den übrigen Landesteilen. Besonders dramatisch ist die soziale Lage von Kleinbauern und -bäuerinnen, die ungefähr 75 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Stellvertretend dafür stehen die beiden Dörfer Sanamadougou und Sahou 270 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Bamako. Noch im Jahr 2009 haben diese zur Linderung einer landesweiten Ernährungskrise 40 Tonnen Hirse an die malische Regierung gespendet, heute sind sie selber auf Lebensmittellieferungen angewiesen. Denn im Zuge des weltweit boomenden Ausverkaufs fruchtbarer Acker-, Wald- und Weideflächen an Investmentfonds, Banken und Konzerne ist es auch in Sanamadougou und Sahou zu gewaltsamen Vertreibungen gekommen. Zudem mussten die...
Lesezeit: 5 MinutenOverkill auf dem Acker
Chemiekonzerne verticken in EU verbotene Pestizide noch immer massenhaft in Ländern des Südens. In Mexiko werden pro Hektar 16mal so viele Insektizide versprüht wie in Deutschland Von Peter Clausing Die »Grüne Revolution« wurde dereinst von der Rockefeller-Stiftung lanciert, um die »roten Revolutionen« zu bekämpfen, die in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg im globalen Süden aufflackerten. Ihre Väter schufen den Mythos, dass die Grüne Revolution viele Menschen vor dem Hungertod bewahrt hat. Tatsache ist, dass heute zwar genügend Nahrung für alle vorhanden ist. Trotzdem haben nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) noch immer 842 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Alljährlich sterben 8,8 Millionen von ihnen an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen, nach Angaben des ehemaligen UN-Sonderberichterstatters für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, sogar mehr als doppelt so viele. Der Hungertod muß also andere Ursachen haben als ungenügende Hektarerträge. Ein unverzichtbarer Bestandteil der Grünen Revolution sind Pestizide. Während die Befürworter einer agrarindustriellen Intensivproduktion den Mythos der Rettung...
Lesezeit: 3 MinutenMexiko: Etappensieg gegen Konzerne
Mexiko: Zivilgericht stoppte Genmaisanbau. Agrarmultis laufen Sturm gegen das Urteil. Wissenschaftler starten internationale Kampagne zur Verhinderung von Agrogentechnik. Von Peter Clausing Seit Mitte der 1990er Jahre bemühen sich die Gentechnikkonzerne, in Mexiko Fuß zu fassen. Bei Baumwolle und Soja ist es ihnen bereits gelungen. Beim gentechnisch veränderten Mais schien Ende 2011 die letzte Hürde gefallen zu sein, aber inzwischen gibt es wieder Hoffnung. Der Mais hat in Mexiko sein Ursprungsgebiet. Mindestens 59 Sorten mit Tausenden Variationen sind bekannt. Neben den uns vertrauten gelben und weißen Kolben gibt es hier rote, blaue und schwarze. Selbst marmorierte, getüpfelte und mehrfarbige Körner sind zu finden. Deshalb und wegen der kulturellen Bedeutung von Mais, der in den Mythen der indigenen Bevölkerung eine zentrale Rolle spielt, gibt es seit vielen Jahren Widerstand gegen Genmais. Bis vor fünf Jahren galt ein striktes Moratorium, selbst für einen experimentellen Anbau. Dagegen liefen die transnationalen Agrarkonzerne Sturm. Das Moratorium höhlten sie schrittweise aus. Ein wichtiger Teilerfolg war für sie...
Lesezeit: 4 MinutenGastbeitrag: Die Metamorphose der Raubbaukonzerne
von Peter Gerhardt Es klingt ein bisschen wie im Märchen. Multinationale Konzerne zerstören Wälder und treten Menschenrechte mit Füßen. Durch das Engagement internationaler Umweltschutzorganisationen werden diese in wenigen Monaten dann zu verantwortungsvollen Unternehmen. Palmöl- und Papiermultis wie Wilmar, Golden Agri, APRIL (Asia Pacific Resources International Limited) oder APP (Asia Pulp and Paper) haben diese wundersame Metamorphose vom Kahlschlag-Konzern zum Regenwaldschützer in Indonesien bereits durchlaufen. All diese Firmen haben jetzt eine „Zero-Deforestation-Policy“. Parallel dazu haben Konsumgüterriesen wie Nestle, Unilever, Mars, L’Oreal, Procter & Gamble oder Colgate-Palmolive, die Palmöl als Rohstoff benötigen, ähnliche Versprechen abgegeben. Greenpeace WWF und Co. scheint zu gelingen, woran indonesische Umweltgruppen sich seit Jahren die Zähne ausbeißen: Notorische Regenwaldzerstörer zur Besserung zu bewegen. Die Drehbücher für diese Geschichten gleichen sich. Zunächst wird ein großer Konzern mit einer aufwändigen Kampagne in Nordamerika oder Europa an den Verhandlungstisch gezwungen. Dort wird zäh gerungen, aber fast immer kommt es zum Happy End: Der Konzern gelobt öffentlich Besserung und die an der...
Lesezeit: 4 MinutenIntensiv und ineffizient
Die industrielle Landwirtschaft ist an den Verbrauch fossiler Brennstoffe gekoppelt. Die Energiebilanz ihrer Produkte ist negativ. Von Peter Clausing Alljährlich am 17. April hat die globale Kleinbauernorganisation La Via-Campsina ihren Aktionstag. Die Organisation sagt, daß Kleinbauern energieeffizienter produzieren als Großbetriebe. Seit Jahrtausenden besteht der Sinn des Ackerbaus in der Umwandlung von Sonnenenergie in »essbare«. Das geschieht mit Hilfe der Photosynthese, deren Effizienz zwar gering ist, denn jener Anteil der eingestrahlten Sonnenenergie, der in Biomasse umgewandelt wird, beträgt weniger als zwei Prozent. Trotzdem wird über das Jahr und die Fläche verteilt in Früchten und Knollen genügend Energie akkumuliert, um die Weltbevölkerung zu versorgen. Die Sonnenstrahlung steht gratis zur Verfügung. Der Anteil an Energie, der darüber hinaus in die Erzeugung und Verarbeitung von Nahrung gesteckt wurde, war für lange Zeit von geringer Bedeutung. Diese Situation hat sich in den vergangenen hundert Jahren dramatisch geändert. Zwar wurden in den letzten Jahrzehnten in vielen Teilen der Welt die Hektarerträge erheblich gesteigert. Erkauft wurde dieser...
Lesezeit: 10 MinutenRezension: „Die Grüne Matrix“
Ein kurzer Werbeblock in eigener Sache (siehe Buchhinweis). Nachdem das Buch inzwischen mehrfach besprochen wurde (u.a. in „analyse + kritik“, in der taz, in der jW, in der „Unabhängigen Bauernstimme“, in den „Local Land & soil News“ und in der ILA) hier die Rezension von Isabel Armbrust aus dem WIDERSPRUCH (Nr. 64, März 2014) . Die Explosion der Agrarpreise 2008 löste einen beispiellosen Run auf die verfügbaren Anbauflächen dieser Welt aus. Mit Grosskäufen oder langlaufenden Pachtverträgen sichern sich seitdem Unternehmen und Staaten die Grundlage für lukrative Geschäfte oder die künftige Ernährung ihrer eigenen Bevölkerung. Auf der Strecke bleiben Kleinbauern und andere lokale Produzenten, die oft nicht einmal über Besitztitel für seit Generationen genutztes Land verfügen. Kaum ein anderes Thema ist in den vergangenen 5 Jahren in der entwicklungspolitischen Szene so intensiv diskutiert worden wie dieses Landgrabbing. Und doch greift aus Sicht des Autors von „Die grüne Matrix“ die Debatte zu kurz: Sie spart das Thema der Vertreibung von Menschen zur...
Lesezeit: 3 MinutenSchwein gehabt – Profit gemacht. Mastfabriken zwischen Profitzwang und Protesten
von Peter Clausing Lunapark21 Nr. 25; März 2014 Man nennt sie heute im angelsächsischen Fachjargon CAFOs – Concentrated Animal Feeding Operations. Eher banal und etwas direkter: Es geht um Mastfabriken. Und damit um riesige, global aktive Fleischkonzerne, von denen 2013 oder 2014 erstmals einer, der chinesische Riese Shuanghui International Holding, der 2013 den US-Fleischriesen Smithfield übernahm, zur Gruppe der 500 größten Konzerne der Welt, der „Global 500“, vorstoßen dürfte. CAFOS nutzen, ähnlich wie andere Industriezweige, billige Arbeitskräfte und niedrige bzw. nicht durchgesetzte Umweltstandards, um mit Niedrigpreisen im herrschenden Konkurrenzkampf bis zum Erreichen einer Monopolstellung profitabel zu bleiben. Das führt dazu, dass Mastfabriken bevorzugt in Regionen errichtet werden, wo zuvor die lokale Ökonomie zerstört wurde: Dort sind die Arbeitskräfte eher bereit, zu niedrigen Löhnen zu arbeiten; die zuständigen Behörden drücken im Bemühen, Investoren anzulocken, bei den Umweltauflagen gern mal ein Auge zu. Oder das betreffende Land verfügt erst gar nicht über halbwegs angemessene Regularien. Innerhalb der Europäischen Union existieren zwar diverse...
Lesezeit: 9 MinutenPräsentation zum Workshop in Hannover am 8.3.2014
Im Rahmen der eintägigen Veranstaltung „SCHON MAL ABSCHALTEN!?“ in Hannover fand ein Workshop zum Thema „Agrarindustrie“ statt. Der Workshop widmete sich den Klimabilanzen industrieller Landwirtschaft im Vergleich zu kleinbäuerlicher Landwirtschaft mit agrarökologischen Anbauverfahren. Diese Bilanzen wurden im Kontext der Sicherung der Ernährung einer im Vergleich zu heute um 30 Prozent größeren Weltbevölkerung im Jahr 2050 diskutiert. Die Präsentation zum Workshop findet sich hier.
Lesezeit: < 1 MinuteMonopol und Elend (Gastbeitrag)
Die weltweite Vereinheitlichung von Saatgut dient den Interessen der Agrarkonzerne und führt zur Entrechtung und Enteignung kleiner Landwirte Von Anne Schweigler Im August 2013 streikten die Bauern in Kolumbien für mehrere Wochen und stellten die Belieferung der Städte mit Nahrungsmitteln quasi ein. Zusammen mit Studenten, Indigenen und Industriearbeitern, die sich solidarisch erklärten, legten sie das Land lahm. Die Auswirkungen der Freihandelsabkommen mit den USA und Europa auf die Landwirtschaft des Landes und die Empörung über eine damit zusammenhängende Saatgutverordnung waren der zentrale Auslöser. Mit letzterer wurde selbstproduziertes Saatgut für illegal erklärt und dessen Beschlagnahmung und Zerstörung verfügt. Kolumbien ist ein Beispiel dafür, wie Saatgut weltweit Schritt für Schritt privatisiert und monopolisiert wird. Dahinter stehen die Interessen der Agrarkonzerne, deren Ziel es ist, nicht nur »ihre« industriellen Sorten mit Hilfe von Rechten an geistigem Eigentum zu kontrollieren, sondern gleichzeitig auch die Alternativen, das heißt freie Sorten, verbieten zu lassen. Dies erfolgt, indem die jahrtausendealte Praxis, einen Teil der Ernte aufzubewahren und...
Lesezeit: 10 Minuten